Kommissar Morry - Lautlos kommt der Tod
raffiniert war doch dieser Halunke. Seine Schüsse konnten ihn nicht getroffen haben, der Mann hatte nur getäuscht ... der markerschütternde Todesschrei sollte ihn nur in eine Falle locken, und er war auch prompt hineingelaufen.
Aber warum hatte ihn Tornado in dem dunklen Hausflur nicht getötet?! Sicherlich konnte der Mann nur mit dem Messer umgehen! Ein anderer Verbrecher hätte sofort den Revolver gezogen und ihn zusammengeschossen. Aber dennoch reichte sein Verdacht nicht aus, Alfonso Tornado zu verhaften. Der Mann hatte das einzige Beweisstück mitgenommen. Eine Taxe kam vorbeigefahren. „Hallo", rief Morry mit schwacher Stimme und hob die rechte Hand — aber der Fahrer jagte weiter. Sicherlich fürchtete er einen Überfall, und Morry sah, im Augenblick wenigstens, nicht gerade sehr vertrauenerweckend aus. Seine Haare hingen ihm wirr in die Stirn, der Mantel war verschmutzt, und das linke Hosenbein zerrissen. Er wußte nicht einmal, wo sich sein Hut befand, den er bei der Verfolgung verloren hatte. Plötzlich klangen Schritte hinter ihm auf. Morry warf sich gegen eine Hauswand und zog mit zitternder Hand seinen Revolver hervor, dessen Sicherungsflügel er mit letzter Kraft herunterdrückte. Ganz so wehrlos war er nun doch nicht, wie vielleicht sein unerbittlicher Gegner glaubte. Mit scharfen Augen versuchte der Kommissar, die nur schwach erhellte Straße zu durchdringen. Er atmete erleichtert auf. Der Mann, der sich ihm näherte, war alles andere als ein Feind von ihm. Um den Näherkommenden nicht zu erschrecken, löste sich Morry von der Hauswand und setzte schwankend seinen Weg fort.
„Hallo, alter Freund", vernahm er eine Stimme hinter sich, „du scheinst ja ganz schön getankt zu haben. Darf ich dir behilflich sein, alter Junge?"
Und schon hatte der andere seinen Arm um ihn geschlungen, während die andere Hand tastend über Morrys Körper glitt.
„Mann, lassen Sie mich los", warnte Morry und sah den Taschendieb drohend an.
Jetzt hatte der Strolch ihn erkannt. Er schluckte mehrere Male und sagte dann mit einem verlegenen Lächeln: „Wirklich, Herr Kommissar, ich glaubte, Ihnen behilflich sein zu müssen, ich hielt es für meine Menschenpflicht."
„Ach du bist es, Eddy", lachte Morry erleichtert auf, „dich hat der Himmel geschickt. Diesmal sei dir deine Sünde vergeben. Aber warum siehst du mich denn so entsetzt an? Ach so, ich weiß schon, die Schulter "
„Sie bluten ja", stammelte der Taschendieb, „einen Augenblick, Herr Kommissar!" Schon steckte er zwei Finger in den Mund und dann gellten seine grellen Pfiffe in bestimmten Abständen auf. Es währte nur Sekunden, dann kamen zwei Rowdys herangestürmt. Sicherlich kamen sie in der Hoffnung, dem Taschendieb Eddy beim Ausplündern eines Opfers behilflich sein zu können. Aber schon von weitem winkte ihnen Eddy zu und rief mit lauter Stimme: „Helft mir, Freunde, Kommissar Morry ist verwundet."
Der Name des berühmten Beamten wirkte wie ein Donnerschlag. Jäh blieben sie stehen und streckten ihre Oberkörper vor, doch als sie wirklich Morry erkannten, warfen sie sich herum und rannten, so schnell sie konnten, davon.
Verlegen kratzte sich der Taschendieb Eddy am Hinterkopf. „Das haben Sie von Ihrem Ruhm", stieß er verweisend aus, „die lassen sich bestimmt nicht mehr sehen. Aber nun legen Sie Ihren Arm auf meine Schulter, Herr Kommissar, ich bleibe an Ihrer grünen Seite."
Von Minute zu Minute wurden Morrys Beine schwerer. Er hatte das Gefühl, als wären seine Schuhsohlen aus Blei. Endlich, an einem kleinen Platz, erreichten sie einen Taxenstand. Kaum sichtete der Chauffeur die beiden finsteren Gestalten, wollte er sich hinter sein Steuerrad klemmen, um davonzufahren.
„Halt", schrie Morry mit letzter Kraft, „oder ich schieße dich zusammen. Bleib doch stehen. Polizei."
Verängstigt erwartete der ältere Mann die beiden Näherkommenden. Er fühlte sich nicht wohl in seiner Haut, denn er sah, daß der größere der beiden einen Revolver in der Hand hatte. Wollte man ihn etwa ausplündern? Aber sein Leben war .ihm mehr wert, und so zog er schon seine Brieftasche, hielt sie Morry entgegen und sagte:
„Nehmen Sie das ist alles, was ich habe!"
Einen verlangenden Blick warf Eddy auf die Tasche und bereute es, sich an der Seite Kommissar Morrys zu befinden. Was wäre das für eine schöne Gelegenheit gewesen, den schwerfälligen Chauffeur von seinem Geld zu erleichtern. Aber der Mann sah ziemlich kräftig aus, und da Eddy niemals
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