Kommissar Morry - Opfer des Satans
wurde?“
„Natürlich erinnere ich mich, Sir!“
„All right! Schon gut, Morry! Inzwischen ist auch die angeforderte Akte aus Aberdeen eingetroffen, wie ich eben hörte. Sie besorgen sich diese Akte sofort, verstehen Sie? Wir müssen schleunigst in Erfahrung bringen, welche Fäden zwischen den Morden in Aberdeen und dem Verbrechen der letzten Nacht hin und her laufen.“
„In Ordnung, Sir!“
Die Stimme des Alten wurde etwas sanfter. „Sie sind der tüchtigste Mann des gesamten Sonderdezernats, Morry! Ich bitte Sie, diesmal mit besonderem Ehrgeiz zu Werke zu gehen. Sie müssen es schaffen! Ich setze mein ganzes Vertrauen in Sie.“
Kommissar Morry legte lächelnd den Hörer auf. Sein schmales Gesicht wirkte ruhig und zuversichtlich. Die klugen Augen wandten sich Wachtmeister Kenton zu.
„Sicher haben Sie alles mit angehört“, meinte er trocken. „Man braucht keine besonders guten Ohren zu haben, um die Stimme des Alten meilenweit zu vernehmen. Gehen Sie bitte rasch in die Registratur hinüber und holen Sie die Akte aus Schottland. Wollen mal sehen, was unsere Kollegen in Aberdeen bereits ausgeknobelt haben.“
Bereits zehn Minuten später saß Kommissar Morry in das Studium der Akte vertieft. Während er Seite um Seite umblätterte, lugte ihm Wachtmeister Kenton neugierig über die Schulter. Als sie schließlich die ganzen Protokolle durchgesehen hatten, blickten sie sich beide skeptisch an.
„Na, viel ist es gerade nicht, was man über den Mörder bisher in Erfahrung brachte“, murmelte Wachtmeister Kenton pessimistisch. „Man weiß so viel wie gar nichts von diesem John Griffin. Wenn er es wirklich ist, der nun hier in London sein Unwesen treibt, so stehen uns einige sorgenvolle Wochen bevor.“
Kommissar Morry räumte die Akte mit einem kräftigen Schwung beiseite.
„Wir wollen mal eine klare Linie ziehen“, sagte er grübelnd. „Dieser John Griffin verübte in Aberdeen eine Reihe Raubmorde, und als ihm dort der Boden zu heiß wurde, setzte er sich nach dem Süden ab. Nehmen wir mal an, daß er jetzt hier in London ist. Nehmen wir weiterhin an, daß er es war, der Lord Harrow mit einem einseitig geschliffenen Dolch ins Jenseits beförderte. Was meinen Sie nun, Kenton? Denken Sie mal scharf nach! War es ein Zufall, daß Lord Harrow ein Opfer dieses vertierten Mörders wurde?“
„Es war kein Zufall“, erwiderte Wachtmeister Kenton bestimmt.
„No, Sir! Das war eiskalte Berechnung. Was hatte Lord Harrow am Poplar Basin zu suchen? Die Dienerschaft, die bereits vernommen wurde, sagte einmütig aus, daß Lord Harrow nie zuvor in dieser üblen Gegend gewesen war. Wenn er ausgerechnet in der Mordnacht dorthin fuhr, so bedeutet das, daß er absichtlich in die düstere Gasse gelockt wurde!“
„Richtig“, stimmte Kommissar Morry zu. „Sie werden von Tag zu Tag klüger, Kenton. Genau so hätte ich selbst gefolgert. Nun kommt aber noch der springende Punkt: Lord Harrow wurde nicht ausgeraubt. Man fand bei ihm seine Uhr, seine Ringe — und die unversehrte Brieftasche! Die Brieftasche, verstehen Sie, Kenton? Mit einer Ausnahme, nämlich der Ermordung Coogans, tötete Griffin bisher nur, um sich zu bereichern, wobei er es klugerweise vermied, schwer zu veräußernden Schmuck an sich zu nehmen. Er mordete aus Geldgier!“
„Und der Fall Nora Tallis?“ wandte Kenton ein.
„Ja, der Mord an Nora Tallis. Ich glaube beinahe, hier beabsichtigte Griffin zunächst gar nicht zu morden. Es steht fest, daß er zu ihr einen... hm, sagen wir, einen engen Kontakt hatte. Moment mal, was steht denn darüber in den Akten?“
Er schlug den diesbezüglichen Vermerk auf und überflog ihn noch einmal kurz.
„Na also da haben wir's ja! Nora Tallis, Eltern verstorben, alleinige Erbin eines riesigen Vermögens, eigene Jacht usw... Studierte in Paris einige Semester Soziologie, dort Berührung mit intellektuellen Bohemiens und existentialistischen, zum Teil stark links orientierten Kreisen. Verspleent, Hang zu den unteren Schichten, der wahrscheinlich weniger dem soziologischen Studium zuzuschreiben ist, als vielmehr der Übersättigung an dem für ihre Begriffe langweiligen aristokratischen Dasein.“
„Daher auch ihre Vorliebe für Hafenspelunken und Ganoven“, konstatierte der Wachtmeister.
„Eben! Griffin wird sie in irgendeiner Budike in Aberdeen kennengelernt haben, und er müßte ein Esel gewesen sein, wenn er in ihr nicht sofort die leicht zu melkende Kuh erkannt hätte.“ „Warum ermordete er sie
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