Kommissar Morry - Opfer des Satans
dann?“
Kommissar Morry überlegte einen Augenblick. Dann schien er, wie der jähe Wechsel in seinem Gesichtsausdruck bewies, eine mögliche Lösung des Rätsels gefunden zu haben. „Es gäbe da natürlich verschiedene Motive, Kenton“, begann er, „zieht man jedoch die besonderen Umstände des Mordes in Betracht, so in erster Linie den Reichtum Nora Tallis“, der im Falle einer ungetrübten Weiterentwicklung des Verhältnisses zu der jungen Dame zweifellos zur Verfügung gestanden hätte, dann ragen aus der Vielzahl der Eventualitäten zwei heraus.“
„Zwei?“
„Jawohl, zwei! Beide gründen sich selbstverständlich zunächst ausschließlich auf eine Theorie. Angenommen, Nora Tallis erkannte trotz ihrer außergewöhnlichen Neigung zu der Umgebung, in der sie John Griff in antraf, die unredlichen Absichten des Mannes und verweigerte ihm eine legale Beteiligung an ihrem Vermögen, was lag letztlich für den Verbrecher näher, als sie zu beseitigen und sich mit der Ausbeute seiner Untat zu begnügen? Möglichkeit Nummer zwei: Durch eine unvorsichtige Äußerung seinerseits oder selbst nur durch das wohl auch dem kaltblütigsten Mörder eigene Gefühl des Gehetztseins veranlaßt, glaubte Griffin, von ihr als Mörder entdeckt, beziehungsweise zumindest verdächtigt zu sein. Daraufhin tötete er sie.“
„Ich persönlich neige mehr zu der zweiten Möglichkeit“, sagte Wachtmeister Kenton.
„So, und weshalb?“
„Weil die ungenügende Beseitigung der Spuren — ich denke jetzt nicht an das überhebliche, demonstrative Zurücklassen des Dolches, Sir! — weil also die ungenügende Beseitigung der Spuren eher auf eine Affekthandlung hindeutet als auf einen vorsätzlichen, genau geplanten Mord.
Hätte Griffin die Untat von langer Hand vorbereitet, wäre ihm Inspektor Holly wohl kaum so schnell auf die Sprünge gekommen.“
Der Leiter des Sonderdezernates schmunzelte befriedigt. „Sie treten in meine Fußstapfen, Kenton. Ihre logischen Folgerungen machen Ihnen alle Ehre. Zwar werden wir die Richtigkeit unserer Theorien erst nach der Verhaftung dieses Verbrechers nachprüfen können, doch anscheinend sollen wir ja hoffentlich dazu demnächst Gelegenheit haben. Ich halte die Ermordung Lord Harrows für einen entscheidenden Fehler Griffins. Was bezweckte er überhaupt damit?“ Wachtmeister Kenton wiegte nachdenklich den Kopf hin und her. „Ich muß annehmen, Sir“, meinte er gedehnt, „daß der Mörder kein Fremder war. Nach meiner Meinung spekuliert er auf das Erbe Lord Harrows, oder zumindest auf einen Teil der riesigen Hinterlassenschaft.“ „Vollkommen richtig“, lobte Kommissar Morry. „Sie treffen heute stets den Nagel auf den Kopf, Kenton. Haben Sie noch mehr solche Weisheiten auf Lager?“
Wachtmeister Kenton grinste erfreut. Die Anerkennung seines Chefs machte ihn mächtig stolz. Deshalb strengte er auch seinen Hirnkasten an, bis er zu rauchen begann.
„Da ist Cecil Harrow, der Sohn des verstorbenen Lords“, murmelte er halblaut. „Der Mann ist mir äußerst unsympathisch, weil er sein ganzes Geld in berüchtigten Spielsalons verjubelt. Aber als Mörder kommt er nicht in Frage. Er ist nachweislich in der letzten Zeit nicht in Schottland gewesen.“
„Weiter!“
„Bleibt also der Mann, der vorgestern nach zehnjähriger Abwesenheit zurückgekehrt ist und der sich als Stanley Belmont ausgibt. Den Burschen müßten wir einmal scharf unter die Lupe nehmen, Sir! Es erscheint mir äußerst seltsam, daß ausgerechnet einen Tag nach seiner Heimkehr der alte Lord Harrow sterben mußte. Da besteht doch irgendein geheimnisvoller Zusammenhang. Meinen Sie nicht auch?“
Kommissar Morry brauchte ziemlich lange, bis er eine Antwort fand. „Gut“, meinte er schließlich. „Nehmen wir mal an, hinter diesem Stanley Belmont würde sich ein Betrüger und zugleich der gesuchte Mörder aus Schottland verbergen. Wir wollen ihm Zutrauen, daß er sich in ein warmes Nest setzen wollte. Wenn er aber Lord Harrow tötete, so machte er sich erstens sofort verdächtig, und zweitens brachte ihm die Bluttat keinerlei Gewinn. Er erbt ja nichts, verstehen Sie? Er war bisher verschollen und nach seiner Rückkehr ist das Testament nicht gleich geändert worden. Lord Harrow hatte keine Zeit mehr dazu. Es wäre also eine riesenhafte Dummheit von Stanley Belmont gewesen, den alten Herrn zu beseitigen, ehe er ihn zu seinem Erben einsetzte.“ „Dann weiß ich nur noch einen einzigen Grund, der Stanley Belmont zu dem
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