Kommissar Morry - Opfer des Satans
Er spürte ein brennendes Würgen in seiner Kehle. Ihm war buchstäblich schlecht vor Aufregung.
„Verloren“, hörte er den Tischchef wieder mit monotoner Stimme murmeln. „Spielen Sie weiter?“
Ja, Cecil Harrow spielte weiter. Er spielte solange, bis der letzte Schein neben seinen Händen verschwunden war. Dann erhob er sich brüsk und schwankte in erschöpfter Haltung zur Bar hinüber. Das Geld, das er in seiner Tasche fand, reichte gerade noch für einen Schnaps. Als er das Glas an die Lippen setzte, stand wieder Baldwin Huxley hinter ihm.
„Na, haben Sie gewonnen?“ fragte er in triefendem Hohn.
Cecil Harrow gab keine Antwort. Er spülte den Kognak hinunter und entfernte sich mit unsicheren Schritten. Der Boden schwankte unter seinen Füßen. Jeden Moment fürchtete er, den Halt zu verlieren.
„Vergessen Sie nicht“, rief ihm Baldwin Huxley nach, „morgen früh um neun Uhr sind Sie bei mir. Wenn Sie nicht kommen, werden Sie diesen Spielsalon nie mehr betreten!“
Cecil Harrow hörte nicht mehr auf die drohenden Worte. Er war fertig mit den Nerven, restlos fertig. Am liebsten hätte er sich in seinen Wagen gesetzt und wäre irgendwohin gefahren. Nur nicht nach Hause! Ihm graute auf einmal vor dem ehrwürdigen Haus am Belgrave Square. Er sah sie im Geist beieinandersitzen: Stanley Belmont und seinen Sekretär, Angela Corday und Lord Harrow. Wahrscheinlich würden sie gerade über seinen Lebenswandel herziehen. Er glaubte, ihre abfälligen Worte in den Ohren klingen zu hören. Wie ein Schlafwandler legte er den Weg zum Parkplatz zurück. Er wußte kaum, was er tat. Mechanisch verrichtete er die Handgriffe.
„Gute Heimfahrt, Sir!“ rief ihm der Parkwächter nach. „Auf Wiedersehen bis morgen!“ Der junge Harrow fuhr wie ein Irrer durch die nächtlichen Straßen. Er wußte kaum, wie er zum Belgrave Square kam. Hart trat er auf die Bremse. Jäh brachte er den Wagen zum Stehen. Er stieg aus und beobachtete die erleuchteten Fenster von Harrow Castle. Die Halle war festlich erhellt. Die Musikklänge des Plattenspielers drangen durch die geschlossenen Fenster. Sie feiern die Rückkehr des verlorenen Sohnes,, dachte Cecil Harrow bitter. Sie machen ein Wesen um Stanley Belmont, als wäre ich überhaupt nicht mehr vorhanden. Dabei bin ich noch immer der Meinung, daß es ein raffinierter Schwindler ist, dem sie einfältig ins Garn gehen.
Wie schon in der letzten Nacht, so schlich sich Cecil Harrow auch jetzt wieder durch den Seitenflügel in das Haus. Er begegnete keinem Menschen. Die Dienerschaft schien schon zu schlafen. Die Korridore des weiträumigen Flügels lagen dunkel.
Cecil Harrow verzichtete auf die Nachtbeleuchtung. Niemand sollte ihn sehen. Wie ein lautloser Schatten stieg er die Treppe empor und dann wanderte er auf leisen Sohlen in den Mitteltrakt hinüber. Dort, wo die geschwungene Treppe in die Halle hinunterführte, blieb er stehen. Er lauschte. Deutlich konnte er die Stimmen Stanley Belmonts und Angela Cordays unterscheiden. Das leise Lachen Lord Harrows klang dann und warm dazwischen. Cecil Harrow hörte nicht länger zu. Ich muß die Zeit nützen, dachte er. Jetzt werden sie mich nicht stören. In den nächsten zehn Minuten werden sie mir kaum in die Quere kommen. Er tauchte im fahlen Dämmerlicht unter, tappte auf die Tür des Privatsalons zu und trat geräuschlos in das große Zimmer ein. Er machte Licht und starrte lauernd zu dem mächtigen Schreibtisch hin. Bisher war der Einbruch anscheinend nicht entdeckt worden. Die Schreibmappe, die Federhalter, die Schriftstücke lagen noch auf dem alten Platz. Cecil Harrow setzte sich auf den Drehstuhl und öffnete in fiebernder Hast die Schubladen. Bargeld werde ich nicht mehr finden, dachte er. Aber vielleicht kann ich die Aktien zu Geld machen. Vielleicht nimmt sie mir auch Baldwin Huxley ab. Er wird ja nur verdienen bei diesem Geschäft. Er wühlte mit flatternden Händen in der Schublade herum und nahm hastig die Wertpapiere heraus. Als er sie rasch in seiner Tasche verstauen wollte, öffnete sich plötzlich die Tür. Sein Vater stand auf der Schwelle. Das bleiche Gesicht wandte sich dem Schreibtisch zu. Die welken Lippen bewegten sich, ohne ein Wort hervorzubringen. Fassungslos starrten zwei entsetzte Augen auf den überraschten Dieb. Vier, fünf Sekunden lang saß Cecil Harrow wie gelähmt auf seinem Stuhl. Er konnte kein Glied rühren. Dann endlich kam er langsam wieder zu sich. Er stand auf, legte die Wertpapiere auf den
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