Kommissar Pascha
noch gefallen. Der andere war viel netter. Der hat auch viel besseres Deutsch gesprochen. Ich glaub, die sind noch zwei oder drei Mal zu zweit gekommen. Das sind doch Brüder, oder?«
Demirbilek nickte.
»Na ja, ich habe den Frauen empfohlen, dass sie ihnen ein bisschen Rabatt geben sollen. Ich glaube, bei Leyla waren sie ganz gern.«
»Also die, die den Toten gefunden hat?«
»Ja, genau. Die arbeitet aber gerade auf der Erotikmesse in Frankfurt. Ein Schlauch ist das, sage ich Ihnen. Da ist die Arbeit im Sultans ein reines Vergnügen. Die kommt in einer Woche oder so wieder.«
»Gut, verstehe. Und wo bitte hast du nachgefragt? Das habe ich nicht ganz verstanden.«
Sie zögerte einen Moment. Dann holte sie aus der Schublade einen Zettel. Auf dem war handgeschrieben eine Telefonnummer notiert.
»Wenn irgendwas ist, rufe ich bei dieser Nummer an. Da geht eine Frau an den Apparat. Die ist immer ganz freundlich. Keine Ahnung, wie sie heißt.«
Demirbilek notierte die Nummer auf eine Visitenkarte des Sultans Harem, die zum Mitnehmen bereitlagen.
»Dann hast du wegen des Mordfalls dort auch angerufen?«
»Ja«, sagte Antonia. »Aber erst heute früh. Wollte nicht stören. Ich weiß ja nicht, wer das ist und was die macht. Aber ich denk mal, dass die Frau so was wie die Chefin ist, wenn Sie mich fragen. Komisch war, dass sie das gar nicht sonderlich gejuckt hat. Ich wusste ja, wie der Tote heißt, der war ja Stammgast, der Stefan. Kam so einmal im Monat. Hatte immer diese Schlaumeier-Brille auf, um sich zu verkleiden. Völlig deppert. Jedenfalls, als ich der freundlichen Frau den Namen sag, hat sie geschluckt und hat prompt aufgelegt. Da war ich aber gar nicht fertig mit dem Erzählen. Stellen Sie sich das mal vor!«
»Lieber nicht, Antonia«, entgegnete der Kommissar. Dann holte er einen Zehner aus seinem Geldbeutel und legte ihn neben das Strasssteinchen auf die Theke. »Für die Maniküre.«
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29
D er Tumult im Büro des Sonderdezernats wurde von zwei sehr unterschiedlichen Frauen verursacht. Die eine der beiden hatte dunkle lange Haare, goldene Ohrringe und fünf glitzernde Goldarmreifen, die wegen des handfesten Gerangels klimperten. Angezogen war sie mit einem Dirndl chinesischer Herkunft, das bei jedem bayerischen Traditionalisten Kopfschütteln hervorgerufen hätte. Die zweite Frau war etwas älter. Etwa Mitte dreißig. Sie trug schwarze Jeans, eine schwarze Bluse und ein Kopftuch, ebenfalls in Schwarz. Offenbar war sie in Trauer. Die beiden Frauen schlugen aufeinander ein, kratzten und schrien sich an.
Demirbilek stand, von den streitenden Frauen unbemerkt, in der Tür und wollte gerade einschreiten, als Vierkant und Cengiz mit einem Tablett zurückkamen. Sie brachten Wasser und Tee. Gemütlich, dachte Demirbilek.
Cengiz reagierte sofort, als sie sah, was vor sich ging. Sie drückte die beiden Wasserflaschen Demirbilek in die Hände und stürmte ins Büro.
»Jetzt ist Schluss! Setzen Sie sich. Beide! Sonst rufe ich die Polizei!«, schrie sie die Frauen an.
Nach einer Weile beruhigte sich die Situation. Vierkant erklärte Demirbilek kleinlaut, dass die junge Frau im Dirndl Derya Tavuk sei, Stefan Tavuks zweite Ehefrau. Die Frau in Schwarz sei Stefan Tavuks erste Ehefrau. Sie höre auf den Namen Margit Weiß, sie habe Stefans Nachnamen nach der Scheidung behalten. Weiß, weil der Name allemal besser sei als Vögele, ihr Mädchenname. Letztere sei zur Vernehmung gekommen, weil man annahm, dass das sinnvoll sei, auch wenn davon in der Lagebesprechung nicht die Rede gewesen war. Demirbilek konnte sich denken, wer hinter der Idee steckte. Cengiz’ ausweichender Blick bestärkte ihn in der Vermutung.
Das Verhör der beiden Frauen verlief nach der anfänglichen Unruhe ohne Probleme. Demirbilek befragte Margit Weiß. Er erfuhr, dass sie das erste Mal vor zehn Jahren, damals ohne Kind, mit ihrem Ehemann Stefan in der türkischen Ägäis Urlaub gemacht hatte. Er hatte sich sofort in das Land, die Leute und die Sprache verliebt. Wieder zu Hause, besuchte er abends einen Türkischkurs, weil er als Metzger tagsüber beschäftigt war. Bald bereiste er Istanbul und Izmir, sie begleitete ihn immer wieder mal. Gleich nach der Geburt ihrer Tochter Franzi reisten sie auf seinen Wunsch an die Schwarzmeerküste. Ein furchtbarer Urlaub, erinnerte sie sich. Als sie zurückkehrten, hatte sie genug von seiner überzogenen Liebe zur Türkei. »Dann werd doch Türke!«, waren die letzten Worte, die sie ihm vor zwei
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