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Kommissar Stefan Meissner 01 - Eine schoene Leich

Kommissar Stefan Meissner 01 - Eine schoene Leich

Titel: Kommissar Stefan Meissner 01 - Eine schoene Leich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Graf-Riemann
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denen man nichts wusste und wahrscheinlich nie herausfinden würde, ob sie das Geld, das sie bei sich trugen, durch illegale Arbeit auf der Baustelle verdient hatten oder als Drogenkuriere. Der Hauptkommissar war froh, dass die Raststätte nicht in seinen Zuständigkeitsbereich fiel. Schließlich war er nicht Polizist geworden, um die reichen Länder vor den armen Menschen aus anderen Ländern zu schützen.
    Dann näherte er sich München. Ab Eching wurde der Verkehr dichter, aber seit die Autobahn zur Fußball- WM achtspurig ausgebaut worden war, war die Staugefahr drastisch gesunken. Die Allianz-Arena war an dem Abend blau erleuchtet, also spielten die Sechziger, die Münchner Löwen. Manche Leute nannten das Stadion abfällig »Kloschüssel«, für Meißner hingegen war es einfach ein weiterer Orientierungspunkt bei der Anfahrt auf München. Erst kamen die Müllberge von Großlappen mit ihrem charakteristischen Großstadtduft und dem großen Windgenerator, dann, in Höhe von Freimann, die weiße Schüssel des Stadions. Und dahinter begann auch schon die Landeshauptstadt.
    Er mochte München und fand sich hier ganz gut zurecht. Als Großstadt war es überschaubar. Das Landgericht war hier genauso angesiedelt wie die Rechtsmedizin, beides Landesbehörden, die er immer wieder brauchte. Er arbeitete sich vom Autobahnende Schwabing in Richtung Innenstadt vor, und da er das Parkplatzproblem im Glockenbachviertel kannte, fuhr er gleich in die Tiefgarage am Anger.
    Als er in die Fraunhoferstraße einbog, war es schon komplett dunkel. Das »Fraunhofer« war eine der schönsten alten Münchner Gaststätten. Der große rechteckige Raum war holzverkleidet, von den Stuckdecken hingen die originalen Wirtshauskronleuchter, die wahrscheinlich schon seit der Umstellung von Gas auf Strom zum Inventar gehörten. Dazu gab es rote Marmorsäulen mit verzierten Kapitellen, die die Decken des etwa fünfzehn Meter langen Hauptraumes stützten. Das Lokal war gut besucht und laut. Die Tische waren, wie in bayrischen Wirtshäusern üblich, groß, das Mobiliar einfach. Man saß hier nicht lauschig beieinander, sondern entweder in einer Gruppe oder gesellte sich an einen Tisch dazu. Natürlich nicht, ohne vorher »Grüß Gott!« zu sagen und zu fragen, ob es erlaubt wäre, sich niederzulassen. Dann wurde man von allen am Tisch von oben bis unten gemustert, und wenn ein Münchner Original, womöglich in Lederhosen, mit am Tisch saß, dann konnte die Antwort lauten: »Hock di no dazua. Is schon no Platz für di Grischperl.«
    Doch Meißner hockte sich nirgendwo dazu, sondern ging direkt nach hinten durch zum Theater.
    Die Kasse war nicht mehr besetzt, das Stück hatte schon angefangen. Er lauschte an der Tür, hörte eine Person sprechen – ein Monolog –, konnte aber nichts verstehen.
    »Wollten Sie noch rein?«, fragte ihn eine junge Frau. »Hat aber schon vor einer halben Stunde angefangen.«
    »Was wird denn gespielt?«
    »›Ein Bericht an eine Akademie‹. Von Kafka.«
    »Und wer spielt den Affen?«
    »Viktor Grünberg. Die Vorstellung ist nicht ausverkauft. Wenn Sie wollen, kann ich Sie in der nächsten Sprechpause reinlassen.«
    Meißner nickte, dann lauschten beide für einige Minuten.
    Die Frau war etwa Mitte bis Ende dreißig und hatte kurze strubbelige schwarz gefärbte Haare und graue Augen. Mit den hohen Wangenknochen und mandelförmigen Augen sah sie slawisch aus.
    Als es im Saal ruhig wurde, gab sie ihm ein Zeichen und öffnete die Tür einen Spalt weit. Er huschte hinein und setzte sich auf den ersten freien Randplatz, den er entdeckte. Als er zurückblickte, sah er ihr Gesicht im Türspalt. Er folgte ihrem Blick auf die Bühne. Das also war Grünberg.
    Ein nicht sehr großer, sehr schlanker Mann mit kurzem grauem Haar. Über einer unauffälligen braunen Stoffhose trug er ein weißes Hemd und ahmte weder im Aussehen noch im Gang einen Affen nach. Er bewegte sich wie ein Mensch, spielte aber dennoch den Affen, der sich an die Menschennatur mit viel Mühe und Anstrengung anzupassen versuchte.
    »Ich suchte nicht Freiheit. Nur einen Ausweg«, war das Erste, was er nach der Sprechpause sagte, und Meißner lief es kalt den Rücken hinunter. Er hatte das Stück schon einmal gesehen, aber es war zu lange her, als dass er sich noch daran erinnern konnte. Aber Grünberg war gut. Er strahlte eine Ernsthaftigkeit und Konzentriertheit aus, die einen unwillkürlich den Atem anhalten ließ. In den Pausen des Monologs blieb es

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