Kommissar Stefan Meissner 01 - Eine schoene Leich
ja jetzt auch wieder Single, sozusagen. Ist irgendetwas mit ihr? Hat sie etwas angestellt?«
»Sie ist tot, Herr Kuska.«
»Wie?«
»Wann machen Sie heute Schluss?«
»So gegen neunzehn Uhr.«
»Dann komme ich bei Ihnen vorbei.« Meißner notierte sich Kuskas Telefonnummer.
»War es ein Unfall?«, fragte der Redakteur noch.
»Sieht nicht danach aus.«
Rosner holte ihn in seinem Büro ab, und sie fuhren zusammen in die Beckerstraße. Diesmal in ihrem Wagen, einem kleinen Renault Clio, dunkelblau und ziemlich aufgeräumt und sauber. Wie schafften manche Leute das bloß? Vielleicht lag es ja an der Größe des Autos. Bei so einem großen Audi wie seinem verlor man einfach leichter den Überblick. So viele Ablagen, und überall so viel Platz. Meißner war drauf und dran zu fragen, ob sie ihr Auto selbst putze, und wenn ja, wie häufig. Vielleicht gab es das ja auch als Service an irgendeiner Tankstelle, und er hatte es nur noch nicht mitbekommen? Aber dann behielt er seine Überlegungen doch für sich. Er wollte ja weder als Pedant noch als hilfloser Trottel gelten, der nicht wusste, wie man sein Auto in Ordnung hielt.
»Hoffentlich erwischen wir wenigstens einen der Nachbarn«, sagte Meißner.
»Ich habe mir die Telefonnummern rausgesucht und vorher angerufen. Zwei habe ich erreicht, sie warten auf uns. Von den anderen hab ich die Personalien.«
»Nicht schlecht«, meinte Meißner. »Und Grote?«
»Der kommt mittags heim.«
Rosner fuhr sogar durch die Einbahnstraße in der korrekten Richtung.
»Sind Sie eigentlich waschechte Ingolstädterin?«, fragte Meißner.
»Geboren bin ich in Geisenfeld, Landkreis Pfaffenhofen.«
»Da waren Sie bestimmt auch mal Hopfenkönigin, oder?«
Die Bemerkung sollte ein Scherz sein, doch als er zu ihr hinübersah, dachte er nur: Bingo!
Meißner hielt ihr die Haustür auf. Rosner ging voran, blieb vor dem Briefkasten stehen, probierte die kleineren Schlüssel am Schlüsselbund durch und fand endlich den richtigen. Aus dem offenen Briefkasten fielen ihnen Prospekte und ein Lokalblättchen entgegen, ein Umschlag von der Volksbank und ein mit krakeliger Schrift beschriebener gelber Briefumschlag, auf dem die Marke mit dem Selbstporträt Albrecht Dürers verkehrt herum klebte.
»Bestimmt der Spieler«, vermutete Meißner und drehte den Umschlag um. Kein Absender. Abgestempelt war der Brief in Ingolstadt, aber das Datum war verwischt. Der Hauptkommissar zog Handschuhe aus der Tasche und nahm den Brief mit in die Wohnung, während Rosner bei den Nachbarn klingelte.
Auf Roxannes Schreibtisch fand er einen lackierten hölzernen Brieföffner in Form einer Stockente und machte damit den Umschlag auf. Das Papier roch nach kaltem Rauch.
»Meine Schöne«, las er. »Du hast unser Spiel am Dienstag unterbrochen. Also tritt Teil B unserer Spielregeln in Kraft. Es steht dir jederzeit frei, unser Spiel zu beenden. Es ist nur ein Spiel und funktioniert nur dann, wenn wir beide es wollen. Es endet, sobald einer von uns aussteigt.
Gemäß Teil B unserer Regeln werde ich dir nur noch dieses eine Mal schreiben, um dir eine Fortsetzung des Spiels vorzuschlagen. Gehst du nicht darauf ein, wird es der letzte Brief sein, den du von mir erhältst. Dann ist das Spiel beendet, und ich werde aus deinem Leben verschwinden. Für den Fall, dass du am Dienstag zur verabredeten Stunde nur verhindert warst, oder dir mittlerweile überlegt hast, das Spiel doch noch fortzusetzen, stelle ich dir nun eine neue Aufgabe. Gehst du darauf ein, geht unser Spiel weiter.
Hier also der nächste Spielzug: Zieh ein Kleid in deiner Lieblingsfarbe an. Gehe am Samstagabend ins Stadttheater. Bis zwanzig Minuten vor der Vorstellung, die um zwanzig Uhr beginnt, kannst du an der Abendkasse eine für dich zurückgelegte Karte abholen. Setz dich dann auf deinen Platz. Ich werde dich beobachten und dir ein Zeichen geben.
Dein Prinz von Guastalla.«
Meißner fuhr Roxannes Laptop hoch und gab das bekannte Passwort ein. Was war das für ein Spiel? Verführung auf hohem künstlerischem Niveau?
Er fand die Homepage des Stadttheaters und rief den Spielplan auf. Samstag, 5. September, zwanzig Uhr: Emilia Galotti. Lessing.
Da sein Schulwissen nicht mehr viel hergab, las er sich die Beschreibung des Stückes durch.
Da war er tatsächlich, der Prinz von Guastalla. Ein skrupelloser Playboy, der die unbescholtene Emilia, die einem anderen versprochen ist, entführen lässt, um sich selber an sie ranmachen zu können. Aus Angst, seiner
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