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Kommt ein Mann ins Zimmer (German Edition)

Kommt ein Mann ins Zimmer (German Edition)

Titel: Kommt ein Mann ins Zimmer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Krauss
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anerkennend. «Also, wenn ich sagen würde, ich weiß nicht, Iran-Contra? Sagt dir das was?»
    «Nein.»
    «Breakdance?»
    «Nein.»
    «Moonwalk?»
    «Sicher, habe ich im Fernsehen gesehen.»
    «Nein, den da …» Wingate stand auf und schlidderte rückwärts über den Boden.
    Samson zog die Augenbrauen hoch. «Was ist das?»
    Wingate hielt inne, zog ein ernstes Gesicht.
    «Ich sag’s dir ungern, Mann. Der alte Elvis ist tot.»
     
    Als Lana zurückkam, juchzte sie und packte ihn, hängte ihm den Arm über den Rücken und grinste wie für ein Foto. Samson fühlte sich alt und erbärmlich, wie ein wollüstiger Onkel, der im Cadillac durch die Stadt kurvt, um seine Lieblingsnichte ins Steakhaus auszuführen. Ein Stich Elend verdarb ihm die Laune, und er wünschte sich, er könnte dem Augenblick durch ein Schlupfloch entrinnen. Er unterdrückte ein seltsames, unerklärliches Bedürfnis, «Hei! Wie geht’s? Hei! Wie geht’s?» zu brüllen wie der asiatische Lionel-Richie-Fan in den Gängen von Lavells Krankenhaus.
    Er folgte Lana in die Küche, wo sie einen Sechserpack Bier aus einem Schrank zog. Sie kam ihm noch größer vor, noch unfallgefährdeter, obgleich weniger zerbrechlich, schöner geworden.
    «Hier wohnst du also?»
    Sie rüttelte den Eisbehälter über der Spüle. «Im Grunde habe ich ihn gleich in der ersten Woche hier kennen gelernt. Das hat mir den Ärger erspart, eine Unterkunft suchen zu müssen.»
    Samson senkte die Stimme. «Du sitzt in deinen Kursen, während er zu Hause hockt und im Dunkeln bastelt? Bomben und so weiter.»
    «Ha-ha. Er ist ein Genie, wenn du’s wissen willst.»
    «So nennt man das also? Was ist Wingate überhaupt für ein Name?»
    «Hör mal», sagte sie, «ich freue mich wirklich, dich zu sehen.» Sie drückte ihm ein Bier und ein Glas mit Eis in die Hand. Im Licht bemerkte er einen Silberring an ihrer Augenbraue.
    «Sie haben wieder dein Ohrläppchen verpasst.»
    «Du bist ein echter Komiker. Alle nennen ihn Winn.»
    «Wer sind alle?» Er ging ihr nach, durch das Wohnzimmer und den Flur entlang, trug die Flasche wie eine Laterne vor sich her.
     
    Abends aßen sie an einem Plastikklapptisch draußen vor dem India Sweets and Spices Mart am Venice Boulevard, dampfende Töpfe mit Tikka Masala und Lamm-Korma und kleine Schälchen mit Chutney und eingelegten Limonen. Samson konnte sich nicht erinnern, jemals indisches Essen geschmeckt zu haben, und probierte kleine Gabeln voll. Lana und Winn schaufelten es sich in den Mund, ließen keuchend vor Schärfe Reis auf die Teller zurückfallen, spülten die zähen Fleischbrocken mit Bier hinunter. Winn leckte sich die Finger und redete mit vollem Mund, erklärte Samson aufgeregt, wie die Server brummen, wenn Daten abgerufen werden, und wie Router die Signale mit Lichtgeschwindigkeit, von Station zu Station verstärkt, über den Meeresgrund versenden. Er war brillant und magnetisierend: ein geborener Seifenkistenredner, der Massen in den Bann gezogen hätte. Samson konnte nicht dagegen an, er fühlte sich enttäuscht, dass eine gewisse Nähe, die er sich von Lana erhofft hatte, jetzt unmöglich schien.
    Beim Dessert erzählte Samson von Ray Malcolm. Er sprach schnell, den Blick auf einen Punkt irgendwo über ihren Schultern geheftet, eine elektronische Lotterieanzeige auf der anderen Straßenseite, mit einer Zahl und einem Rattenschwanz von Nullen. Als er auf Rays Forschung zu sprechen kam, erstarrte Winn, sein Kokosgebäck mitten in der Luft.
    Einen Moment herrschte Schweigen, dann beugte Winn sich über den Tisch. Er flüsterte heiser, als hörten ringsum Leute zu, aber es war niemand da, nur der Inhaber des Ladens und seine Frau, die in Jutesäcken mit Bohnen, Nüssen und getrockneter Tamarinde wühlten und in ausgetretenen Latschen den Mittelgang auf und ab schlurften.
    «Ich sag’s mal in Klartext: Ein Mann ruft dich aus dem Nichts heraus an, mitten in der Nacht. Er bittet dich, ein Flugzeug quer durchs Land zu nehmen, und als er dich abholt, sagt er dir, er arbeite mehr oder weniger für die Regierung. Er will dich auf ein Forschungsgelände schicken, das strategisch irgendwo im Niemandsland der Mojave-Wüste liegt. Dann erzählt er dir, er möchte ein bisschen mit deinem Gehirn spielen. Und du sagst, prima, das klingt gut? Hast du sie noch alle?» An seiner Schläfe stand eine blaue Vene heraus, Blut, das seinem Körper entzogen und nach oben gepumpt worden war, Nahrung für das überragende Gehirn.
    «Er arbeitet nicht für die

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