kommt wie gerufen
starrte ihm ungläubig ins Gesicht und sagte verzweifelt: »Aber ich will nicht in Albanien sein. Ich weiß nicht das geringste über Albanien, ich habe kaum jemals etwas von diesem Land gehört! Was für eine absurde Idee!«
»Trotzdem glaube ich, daß wir in Albanien sind.«
Ein langes, ehemals schwarzes Auto, über dem eine dicke weiße Staubschicht lag, fuhr in den Lichtkreis der Taschenlampen. Sie wurden zum Wagenschlag geführt und in den Fond gestoßen. »Ein Rolls«, zischte Farrell aus dem Mundwinkel hervor, und Mrs. Pollifax nickte wohlerzogen. Die beiden Männer mit den griechischen Profilen stiegen ein und setzten sich mit schußbereiten Revolvern ihnen gegenüber auf die Klappsitze, und schon begann der Wagen in halsbrecherischer Geschwindigkeit über den unebenen Boden zu rollen. Mrs. Pollifax klammerte sich an der Seitenwand fest und sehnte sich nach einem Aspirin. Die Scheinwerfer des Autos leuchteten die Straße aus, in die sie einbogen, aber die war genauso holprig wie der Flugplatz. Sie schienen in eine Stadt einzufahren und schlängelten sich bald darauf durch enge, abfallübersäte Gäßchen. Sie begegneten weder einem anderen Wagen, noch irgendwelchen Menschen. Selbst die Häuser, die flüchtig im Licht der Scheinwerfer aufleuchteten, machten einen abweisenden Eindruck und waren von so hohen Mauern umgeben, daß man kaum die Dächer erkennen konnte. Dann lag die Stadt auch schon wieder hinter ihnen. Durch das Seitenfenster sah Mrs. Pollifax wieder hohe Berge, die sich vor dem nachtblauen Himmel abhoben. Es waren keine einladenden Berge, sondern schroff, steil und felsig. Sie waren noch abweisender als die Häuser. Augenblicklich schlug der Wagen die Richtung zu diesen Bergen ein.
Ihre Wächter starrten sie gleichmütig und ohne Neugier an. Mrs. Pollifax wandte sich an Farrell und sagte: »Aber warum denn Albanien? Bestimmt irren Sie sich.«
»Na, Kuba ist es jedenfalls nicht.«
»Nein«, gab sie niedergeschlagen zu, »Kuba ist es nicht.«
»Anfangs dachte ich, diese Berge könnten zum Himalajagebirge gehören, aber wir sind nicht in China. Dazu sind die Berge zu niedrig, und überhaupt stimmt die ganze Topographie nicht.«
»Aus China würde ich mir auch nichts machen«, sagte Mrs. Pollifax kopfschüttelnd.
»Wir müssen uns die wenigen Länder vergegenwärtigen, in denen die Rotchinesen gern gesehen sind. Viele gibt es ja nicht. Die Stadt, durch die wir eben gefahren sind, hat nach Balkan ausgesehen. Diese Berge müssen zu den albanischen Alpen gehören, und diese Männer sind zweifellos Europäer.«
Mrs. Pollifax nickte. »Ich finde, sie sehen aus wie Griechen.«
»Falls wir in Albanien sind, ist Griechenland nur einige hundert Meilen entfernt. Sie haben ja gesehen, wie primitiv der Flugplatz war und wie rückständig dieses Land ist. Wenn wir uns in Europa befinden, dann gibt es außer Albanien kein anderes Land, in dem die Rotchinesen kommen und gehen dürfen, wie es ihnen paßt.«
»Ich wußte nicht, daß sie das irgendwo in Europa dürfen«, versetzte Mrs. Pollifax empört.
»Seit ungefähr 1960 schon«, überlegte er mit gerunzelter Stirn. »Bis dahin war Rußland der große Bruder Albaniens und beherrschte es so ziemlich. Dann fiel Stalin plötzlich in Ungnade. Das hat den Albanern natürlich nicht geschmeckt, denn sie sind Stalinisten. An Einzelheiten erinnere ich mich nicht mehr. Es geschah an einem ihrer Parteikongresse. Jedenfalls wurden beide Seiten ziemlich ausfällig, und China und Albanien stellten sich gemeinsam gegen Chruschtschow. Rußland bestrafte Albanien damit, daß es jede Hilfeleistung einstellte, sämtliche Techniker und alle Militärs abberief, und China nützte die einmalige Gelegenheit, hilfreich einzuspringen und sich damit in Europa Eingang zu verschaffen.«
»Das wußte ich nicht«, stammelte Mrs. Pollifax. »Aber weshalb bringt man uns hierher? Wozu dieser Aufwand?«
Farrell blickte sie schnell an und sah dann fort. »Vielleicht verspricht man sich einiges von uns«, sagte er vorsichtig.
»Oh«, erwiderte Mrs. Pollifax schwach und schwieg.
Seit zwanzig Minuten fuhren sie eine steile Straße bergauf, die aussah, als sei sie aus der Felswand gesprengt worden. Auf der linken Straßenseite fiel der Lichtkegel auf unheimliche, drohende Gesteinsmassen, rechts aber ins Leere. Mrs. Pollifax hegte den fürchterlichen Verdacht, daß rechts wirklich das Nichts lauerte, in dem sie in der nächsten Haarnadelkurve landen würden. Immer höher und höher wanden
Weitere Kostenlose Bücher