kommt wie gerufen
Esel lösen, an dem sie durch den einstündigen Ritt festklebte. Kaum war ihr das mit schmerzenden Knochen gelungen, da packte der Wächter sie auch schon beim Arm und führte sie ins Gebäude.
»Endstation«, dachte sie düster und sah sich um. Nichts als Steine. Sie hatte die vielen Steine schon richtig satt. Das Haus war etwa dreißig Fuß lang. An einem Ende des Rechtecks befand sich die Tür, durch die sie eingetreten waren, und vor ihnen lag ein Raum, der sich bis zur Mauer am Abgrund erstrecken mußte. Links lag ein dunkler Flur, in dem Mrs. Pollifax zwei eiserne Zellentüren bemerkte. Rasch ließ sie den Blick in den Raum zurückkehren, in dem sich ein Schreibtisch, ein Stuhl, ein Wasserbehälter, ein gut bestückter Waffenschrank, eine Telefonanlage und ein grauhaariger Mann in Uniform befanden. Er begrüßte sie in knappem Englisch.
»Ich bin Major Vassovic.« Bei dieser Ankündigung nahm er einen riesigen eisernen Schlüssel von der Wand, führte sie den Flur bis zur ersten Tür und öffnete sie. »Hinein, bitte«, sagte er.
»Sie haben wohl kein Aspirin bei sich?« erkundigte Mrs. Pollifax sich optimistisch. »Ich habe seit Stunden die gräßlichsten Kopfschmerzen. Ich leide nicht häufig darunter, wissen Sie, und ich will mich ja auch nicht beklagen, aber man hat mich zweimal betäubt und augenscheinlich intravenös ernährt, und es war doch ein ziemlich anstrengender Flug – «
Der Major betrachtete sie verwundert. Dann zwang er sich zu einer völlig ausdruckslosen Miene und antwortete steif: »Ich habe keinen Befehl, Ihnen etwas zu geben.«
Farrell zerrte sie sanft in die Zelle, die Tür fiel mit metallischem Klirren hinter ihnen ins Schloß, und Mrs. Pollifax sagte: »Ich sehe nicht ein, was ein Aspirin…« Beim Anblick ihres Gefängnisses erstarb ihr die Stimme. Es war ziemlich geräumig, aber so lichtarm, daß Dämmerung herrschte. Das spärliche Licht stammte von den beiden Schlitzen in der Mauer. An jedem Ende des Raumes stand eine Schlafpritsche und darunter ein Nachtgeschirr. Dazu gab es zwei kleine Tasche. Das war alles. Keine Stühle, kein Wandschirm, keine Toilette, keine Kleiderhaken, nichts als die beklemmenden Steinmauern und der Fußboden.
»Tja«, sagte Farrell und setzte sich auf eine der Pritschen.
»Tja«, sagte Mrs. Pollifax und setzte sich auf die andere. Sie starrten einander aus einer Entfernung von etwa zwölf Fuß durch das Zwielicht an, und Mrs. Pollifax fand, daß die Stille zu lang und zu drückend wurde. »Tja«, sagte sie nochmals energisch, stand auf, trug eines der Tischchen an die Pritsche heran, griff in ihre Tasche und begann, ihre Patiencekarten aufzulegen.
»Doch nicht schon wieder!« ächzte Farrell.
»Warum denn nicht?« meinte Mrs. Pollifax und war froh, ihn abgelenkt zu haben.
Sie hatte drei Patiencen gelegt, als die Tür aufgesperrt und geöffnet wurde und ein Wächter ihr zeigte, daß sie ihm folgen sollte.
Auch Farrell erhob sich, aber der Wächter schüttelte den Kopf. Mit gespielter Leichtigkeit sagte Farrell: »Ich fühle mich zurückgesetzt. Viel Glück, Herzogin.«
Mrs. Pollifax sah sich nicht um. Ihre Knie zitterten, und durch die unerwartete Trennung von Farrell, den sie ursprünglich so scheel angesehen hatte, fühlte sie sich sehr einsam. Sie wurde ins grelle Sonnenlicht geführt und stolperte über Geröll in das zweite, größere Gebäude. Die Tür wurde von innen geöffnet, und Mrs. Pollifax gelangte in ein großes, kühles, weiß getünchtes Zimmer, das genauso eingerichtet war wie Major Vassovics Büro, nur war hier alles größer. Zwei Männer in Uniform befanden sich im Raum, aber Mrs. Pollifax hatte nur Augen für den Mann, der hinter dem Schreibtisch saß.
»Ja, Señor de Gamez!« rief sie überrascht. »Wie kommen denn Sie hierher?«
Der Goldzahn schimmerte in einem flüchtigen Lächeln auf.
»Genauso wie Sie, Mrs. Pollifax. Darf ich Ihnen General Hoong vorstellen, den Direktor dieser – hm – Gebäude.«
»Sehr angenehm«, sagte Mrs. Pollifax höflich zu dem Chinesen.
Der verneigte sich mit glatter Miene, und Mrs. Pollifax vergaß ihn sofort wieder. »Natürlich sind Sie nicht der echte Señor de Gamez, das weiß ich inzwischen«, fuhr sie fort. »Darüber war ich mir klar, als ich den leeren Papageienkäfig gesehen habe.«
»In Wirklichkeit bin ich General Raoul Perdido«, sagte er und lud sie mit einer Handbewegung ein, sich auf den Stuhl neben dem Schreibtisch zu setzen. »Nehmen Sie Platz, Mrs. Pollifax, wir haben
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