kommt wie gerufen
sie sich empor, bis der Wagen endlich anhielt und Leben in die beiden Wächter kam, die aus dem Auto sprangen. Mit hastigen Worten redeten sie in einer fremden, eigentümlich nasalen Sprache auf den Fahrer ein und bedeuteten Farrell und Mrs. Pollifax auszusteigen. Sie standen in einem breiten, unfruchtbaren Felsenkessel, und Mrs. Pollifax bemerkte, daß langsam der Morgen heraufdämmerte. Ein neuer Tag, dachte sie staunend, und plötzlich mußte sie daran denken, daß ihr Sohn Roger ihr aufgetragen hatte, ihm zu telegrafieren, falls sie in eine Klemme geraten sollte.
Ein Wächter verschwand hinter einem Felsen und kehrte mit vier Eseln zurück. Zu Mrs. Pollifax Entsetzen forderte er sie gestikulierend auf, einen der Esel zu besteigen. »Das kann ich nicht«, sagte sie leise zu Farrell und wiederholte vor dem Wächter lauter: »Das kann ich nicht!«
»Sie haben wohl keine andere Wahl«, gab Farrell ihr grinsend zu bedenken.
Sie sah das Tier voll Abscheu an, und der Esel musterte sie mit unverhohlenem Mißtrauen. Farrell versuchte ihr zu helfen. Nur seinem Eingreifen war es zu verdanken, daß es zwischen den beiden zu einem Waffenstillstand kam, und das auch nur deshalb, weil der Esel Mrs. Pollifax nicht mehr sehen konnte, sobald sie erst auf ihm saß. Nachdem auch Farrell und die Wächter aufgesessen waren, ritten sie hintereinander her.
Der Saumpfad führte sie durch eine unvorstellbar trostlose Gegend. In dieser Landschaft war jedes Leben erstorben, dafür gab es Felsen in jeder Farbe, Form und Gruppierung. Nirgends auch nur der geringste Schatten. Während sie ritten, leuchtete das Tal nach und nach im goldenen Licht der Morgensonne auf, und Mrs. Pollifax sah tief unten grüne Hänge und vereinzelte Bäume, aber je höher die Sonne kletterte, desto heißer wurde es, und von der Hitze und dem Esel geplagt, fühlte Mrs. Pollifax sich bald entsetzlich unbehaglich. Das Reiten war nie ihr Fach gewesen, und es kostete sie große Mühe, sich auf dem Esel zu behaupten. Obendrein bewegte sich das Tier mit gefährlicher Ruckhaftigkeit. Sie waren etwa eine Stunde geritten, als Farrell plötzlich sagte:
»Psst – schauen Sie!«
Widerwillig hob Mrs. Pollifax die Augen. Sie hatten die grauen, schroffen Felswände verlassen und waren auf einer kleinen Schutthalde angekommen. Der Boden sah wie ein vertrocknetes Bachbett aus, und überall lagen so viele Steine, daß sich auch nicht der armseligste Grashalm am Leben halten konnte. Die Sonne stach unbarmherzig vom Himmel. Knapp am Felsabbruch, der das Tal beherrschte, erhob sich ein quadratischer, festungsartiger Bau aus unbehauenen Steinen, in die an Stelle von Fenstern schwarze Schlitze gemeißelt waren. Neben dieser Festung fiel der Boden etwa hundert Fuß bis zu einem geröllübersäten Felsvorsprung ab, unter dem sich ein zweiter mit schüchternen Ansätzen von Vegetation zeigte. Von dort aus ergoß sich die Erde wie ein grüner Strom ins Talbecken. Als der Esel vorsichtig zwischen den Steinen dahinzockelte, gewahrte Mrs. Pollifax unweit vom ersten Gebäude ein zweites, das zwar kleiner war, sich aber sonst in nichts von der anderen Festung unterschied. Wenn ich jetzt eine Touristin wäre, dachte Mrs. Pollifax sehnsüchtig, könnte ich diesen Felsenhorst wildromantisch finden und mir vorstellen, daß sich Bandenhäuptlinge in diesen uneinnehmbaren Mauern verschanzt haben. Leider aber war sie keine Touristin, sondern eine amerikanische Spionin, die entführt worden war – nein, gefangengenommen, dachte sie beklommen –, und bis auf die Leute, die sie verschleppt hatten, wußte kein Mensch auf Gottes schöner Erde, wo sie war.
»Endstation«, stellte Farrell mit einer Kopfbewegung zu dem kleineren Gebäude, auf das sie zuritten, trocken fest.
Verärgert sagte sie: »Ich finde, Sie müßten nicht eben diese Worte wählen.« Als sie sich jedoch dem Haus näherten, gestand sie sich, daß sie sich innerlich auf das schlimmste gefaßt machte. Sie richtete sich zu ihrer ganzen Größe auf, was auf dem Eselsrücken nicht ganz einfach war, und sagte beherrscht: »Ich finde, daß man in einer schwierigen Lage jede Stunde so nehmen muß, wie sie kommt, und nicht an die Zukunft denken soll. Aber wenn ich doch bloß baden könnte!«
Jemand mußte ihre Ankunft durch die Mauerschlitze bemerkt haben, denn das eiserne Tor des Gebäudes öffnete sich. Ein bewaffneter Mann trat ins grelle Sonnenlicht, aber Mrs. Pollifax war zu beschäftigt, um ihn zu beachten. Sie mußte sich von ihrem
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