kommt wie gerufen
aber ruhiger als er. Das Gesicht des Generals war wutverzerrt. Mit der Hand an der Zellentür sagte er kalt: »Ich gehe jetzt, bis man mir meldet, daß Mr. Farrell bei Bewußtsein ist, um verhört zu werden. Das können Sie ihm sagen. Ebenso, daß ich seiner baldigen Genesung mit Vergnügen entgegensehe.« Er öffnete die Tür, dann drehte er sich mit theatralischer Gebärde um. »Und was Sie anbelangt, Mrs. Pollifax, so gehen Sie mir derart auf die Nerven, daß allein Ihre Gegenwart eine Zumutung für mich darstellt.« Die Tür krachte hinter ihm ins Schloß und sie hörte, wie von außen der Riegel vorgeschoben wurde. Erst dann wagte sie, Farrell anzusehen. »General Perdido scheint zu viele schlechte Gangsterfilme gesehen zu haben«, bemerkte sie unbefangen und hätte beim Anblick von Farrells entstelltem Gesicht am liebsten geweint.
Zwischen dick verschwollenen Lippen sagte Farrell undeutlich: »Ich würde ihn gern an Hollywood abtreten.« Er setzte sich auf.
»Hat er mir das Nasenbein gebrochen, dieses Schwein?«
Mrs. Pollifax setzte sich neben ihn, und es folgte eine minutenlange Bestandsaufnahme. Das Ergebnis war ermutigend. Es umfaßte blaue Flecken, zwei gelockerte Backenzähne und eine geplatzte Oberlippe, aber Knochen schienen keine gebrochen zu sein. »Sie haben sich ausgezeichnet gehalten«, sagte sie leise.
»Waren Sie schon früher einmal solchen Situationen ausgesetzt?«
Er sah sie nicht an. »Einmal, während des Krieges. Damals habe ich mit Carstairs gearbeitet.« Er blickte sie nachdenklich an. »Aber es gibt gewisse Grenzen, verstehen Sie? Besonders nach der ersten Erfahrung. Beim zweitenmal weiß man bereits, was einem bevorsteht, und malt sich die Wiederholung aus. Die eigene Vorstellungskraft kann einen leichter in die Knie zwingen, als der Schläger selbst. Aber jetzt war es zum Glück rasch vorbei.«
Mrs. Pollifax dachte über seine Worte nach und nickte. Sie legte ihm die Hand auf die Stirn und seufzte. »Sie haben immer noch Fieber. Achtunddreißig Grad, schätze ich.«
Sie holte die Zigaretten, die er ihr gegeben hatte, und hielt ihm die letzte hin. »Können Sie rauchen?«
»Reiner Nektar«, sagte er sehnsüchtig. Er griff nach der Zigarette und stieß damit gegen seinen Mund, bis er ein halbwegs gebrauchsfähiges Eckchen fand. Sie gab ihm Feuer, und er inhalierte tief.
»Herzogin, ich habe eine Unzahl junger, schöner und gefälliger Frauen gekannt«, sagte er dankbar, »aber Sie würde ich als die Frau nominieren, mit der ich am liebsten in Albanien gefangen bin. Sie sind ein wahrer Trost für meine alten Tage, und ich habe das Gefühl, daß ich in diesem verdammten Loch verflucht rasch altere.«
»Oh, es geht Ihnen schon besser, da bin ich aber froh«, sagte Mrs. Pollifax augenzwinkernd. Sie kehrte zu ihrer Pritsche zurück, nahm das Tischchen mit und begann mit einem neuen Patiencespiel. »Wie sind Sie nur in dieses unbegreifliche Leben geschlittert?« fragte sie, weil sie das Gefühl hatte, daß er jetzt vielleicht gern reden würde. »Dieses Leben voll schöner, gefälliger Frauen und – mit General Perdido. Sie sind doch Amerikaner, oder nicht?«
»So amerikanisch wie San Francisco«, antwortete er und blies blaue Rauchwölkchen zur Decke. »Meine Mutter war Spanierin, und die Wanderlust habe ich von meinen Eltern geerbt. Sie waren beide beim Variete. Als Tänzer.«
»Nein, wie hübsch!« Mrs. Pollifax gefiel diese Vorstellung ungemein. »Ich habe den Flamenco schon immer so gern gesehen. Haben Sie aus dem Koffer gelebt?«
»Tja, so ungefähr.«
»Können Sie tanzen?«
»Nur Walzer«, sagte er belustigt. »Bei mir hat sich das Talent auf die Malerei geschlagen. Ich war schon sehr jung im Krieg, und als er vorbei war, machte ich mich nach Mexiko auf, um dort zu malen. Als Carstairs mich fand, hatte ich bereits jenen Ruf, der ihm gelegen kam: halb Playboy, halb Abenteurer, halb Künstler.«
»Das ist um eine Hälfte zuviel«, korrigierte Mrs. Pollifax nüchtern.
»Finden Sie diese dichterische Freiheit nicht reizvoll?«
Mrs. Pollifax kämpfte mit sich und verlor. »Um die Wahrheit zu sagen, habe ich mich selbst auch ab und zu kleiner Übertreibungen schuldig gemacht.«
Er kicherte. »Das kann ich mir vorstellen, Herzogin. Aber trotzdem haben Sie ein sehr ruhiges und achtbares Leben geführt, wie?«
»Aber ja. Mein Mann war Anwalt. Ein sehr tüchtiger sogar. Und mein Sohn ist ebenfalls Anwalt«, fügte sie hinzu, und bei der Erinnerung wurde ihr das Herz schwer.
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