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kommt wie gerufen

kommt wie gerufen

Titel: kommt wie gerufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Gilman
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seitdem stattgefunden und zu viele politische Parteien waren am Ruder gewesen.
    Sie blätterte es jedoch mit einer gewissen Sehnsucht durch und dachte an die Bücher ihrer Kindheit mit den gleichen grauen, schlecht belichteten Fotos und den gleichen Bildern von Leuten in Nationaltrachten. Das Buch hieß >Albanien – Land voll ursprünglicher Schönheit< und war in der blumenreichen Sprache jener Tage verfaßt. Der schlichteste Satz des Buches besagte, daß Albanien etwa so groß war wie der Staat Maryland. Mrs. Pollifax verzog das Gesicht über den schwülstigen Stil und stieß nach einigen Seiten auf eine ungemein übersichtliche Landkarte in Schwarz und Weiß. Eine Landkarte… müßig blätterte sie weiter, kehrte aber dann rasch zu der Karte zurück. Sie war ausgezeichnet. Albanien wurde im Süden von Griechenland begrenzt, im Norden vom heutigen Jugoslawien, und das hier mußte das Adriatische Meer sein… Wasser, dachte Mrs. Pollifax und tastete sich zu einem noch ungeformten Gedanken durch. Nachdenklich hielt sie die Karte ins Licht, suchte nach den Bergen und überlegte, wo sie im Augenblick wohl sein mochte. Im Süden erhob sich vor dem Meer eine schmale Gebirgskette, aber laut Reisebeschreibung waren diese Berge kaum fünfzehnhundert Fuß hoch, und Mrs. Pollifax befaßte sich im Augenblick nicht weiter mit ihnen. Das Landesinnere war flach und mit Ausnahme eines Berges, der aus der Ebene aufragte, offen. Sie und Farrell aber waren in eine sehr lange, hohe Gebirgskette gebracht worden, und sie schied den einzelnen Berg aus. Ihr Blick wanderte nach Norden, und ihre Augen wurden schmal, als sie >Nordalbanische Alpen< las. Farrell hatte das Wort Alpen gebraucht, und die Berge rundum erinnerten sie mit ihren zerklüfteten Felsen an die Schweiz. Diese Berge zogen sich wie eine Halskette quer von Ost nach West durch das Land, und wenn Albanien nicht größer als Maryland war, mußte die Adria in unmittelbarer Nähe sein.
    »Wir müssen irgendwo in diesen Bergen festsitzen«, überlegte sie.
    Gleich morgen wollte sie das Buch zu lesen beginnen, denn an der Geographie konnte sich auch in fünfundvierzig Jahren nichts geändert haben. Sie konnte sich nicht von der Landkarte losreißen. Ihr Flugzeug war in einer Stadt gelandet, die eindeutig schon sehr alt war, und nachdem sie ins Gebirge gefahren waren, hatten sie noch einen etwa zweistündigen Ritt auf Eseln hinter sich gebracht. Ob sie es wohl herausbekommen konnte, welche Richtung sie eingeschlagen hatten?
    »Die Sonne!« durchzuckte es Mrs. Pollifax. Während des Rittes hatte sie gesehen, wie die Sonne aufgegangen war. Sie war nun gar nicht mehr schläfrig und versuchte mit aller Kraft, sich zu erinnern.
    Ja, die Sonne war unmißverständlich halb rechts von ihr aufgegangen.
    Also waren sie ostwärts geritten. Wenn sie mit dem Finger in umgekehrter Richtung über die Landkarte fuhr, gab es im Westen nur eine einzige Stadt, die genügend groß war, um einen Flugplatz zu besitzen. Sie hieß Skutari. Alle anderen Ortsnamen waren klein gedruckt. Bestimmt handelte es sich um Dörfer, durch die man keine zehn Minuten mit dem Auto fahren konnte. Wenn sie aber in Skutari gelandet waren, dann mußten sie sich jetzt etwa hier befinden, folgerte sie, und grub mit ihrem Fingernagel ein X ins Papier. Die Stelle lag erstaunlich nahe bei Jugoslawien und überraschend knapp an der Adria, und jenseits der Adria war Italien…
    Zutiefst von den Gedanken aufgewühlt, die diese Landkarte in ihr weckte, schob sie das Buch am Fußende ihres Lagers sorgfältig unter die Matratze. »Wie schwierig es doch ist, eine einmal geborene Idee wieder fallen zu lassen«, grübelte sie. Sie beschloß, sich die Landkarte am nächsten Tag noch einmal gründlicher anzusehen und den Text über die nordalbanischen Alpen zu lesen. Vielleicht konnte sich Farrell an geographische Kennzeichen erinnern, die ihr entgangen waren. Sie versuchte, ihre Gedanken zu beruhigen, aber es dauerte lange, bis sie einschlief.

 
    13
    »Sie können rauskommen«, sagte Lulasch am nächsten Nachmittag.
    Er stand in der offenen Tür und hatte mit seinen Worten Mrs. Pollifax gemeint. »General Hoong hat gesagt, Sie dürfen an der frischen Luft Bewegung machen.«
    »Nein, wie nett von ihm!« sagte Mrs. Pollifax verblüfft.
    Lulasch fuhr munter fort: »General Hoong hat telegrafisch Befehle Ihretwegen angefordert. Alle telegrafieren Ihrethalben. Jetzt, wo General Perdido fort ist, können wir nur abwarten.«
    Mrs. Pollifax

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