kommt wie gerufen
schon Dienstag war – Eile mit Weile, dachte sie verzweifelt und fragte sich, ob Farrell sich noch an die Abschiedsworte des Generals erinnerte. Er hatte damals Fieber und starke Schmerzen gehabt und sie hoffte, er wußte nichts mehr von diesen Drohungen.
Das täte ihm angesichts dessen, was ihm bevorstand, bedeutend besser. Ihnen blieben nur mehr zwei Tage, und sie hatten beinahe noch keine Vorbereitungen getroffen! Dann fiel ihr etwas anderes ein, und sie sagte bestürzt: »Aber weshalb kommt er so bald zurück? Haben Sie ihm gesagt, daß Farrell sich genügend erholt hat, um verhört zu werden?«
Oberst Nexdhet erwiderte ihren Blick mit einem blassen Lächeln. »Ich denke, ich habe Ihnen empfohlen, keinem Menschen zu vertrauen «, erinnerte er sie sanft.
Am Mittwoch hob Mrs. Pollifax während ihres vormittäglichen Spazierganges längs des Grates zwei runde, faustgroße Steine vom Boden auf, brachte sie in die Zelle und versteckte sie. Dann lieh sie sich Lulaschs Sonnenbrille und ging auf die Föhrengruppen zu, die Farrell und sie auf den Reittieren durchquert hatten. Sie wußte genau, daß sie nichts so dringend brauchten als eine Krücke für Farrell. Es mußte eine sehr kräftige Krücke oder ein Spazierstock sein. Ohne eine solche Stütze konnten sie gleich jede Hoffnung fahren lassen, das Tal jemals zu erreichen.
»Lulasch!« rief sie über die Felsen hinweg. Er sonnte sich auf der Bank vor dem Tor und reinigte sein Gewehr. »Lulasch, mir ist eben etwas so Nettes eingefallen.« Lächelnd ging sie auf ihn zu. »Aber zuerst brauche ich Ihre Erlaubnis und Hilfe.«
»Was ist es denn?« fragte Lulasch.
»Es handelt sich um Mr. Farrell«, setzte sie ihm auseinander.
»Leider kann er nicht so wie ich Spazierengehen – «
»Man würde es ihm auch nie gestatten«, sagte Lulasch sofort.
»Das weiß ich, und es ist sehr hart für ihn, tagaus, tagein in dieser Zelle eingesperrt zu sein. Ach, Lulasch, ich würde ihm so gern ein paar Zweige in die Zelle hängen. Frische grüne Zweige.«
Lulasch lächelte verzeihend. »Jede Frau hat Freude am Verschönern, was?«
»Ach, wie froh ich bin, daß Sie mich verstehen«, sagte Mrs. Pollifax.
»Soll ich den Major auch um Erlaubnis bitten?«
»Das kann ich für Sie besorgen«, versprach Lulasch zuvorkommend.
Major Vassovic erteilte nicht nur seine Erlaubnis, sondern kam gleich selbst mit, und so gingen sie gemeinsam auf die verstreuten Föhren zu, während Mrs. Pollifax sie auf die Schönheit des Himmels, der von einem scheußlich verwaschenen Blau war, die Einmaligkeit der Felsen und den romantischen Reiz der Landschaft aufmerksam machte. Sie redete unermüdlich drauflos, bis sie bei den Bäumen angelangt waren, worauf sie in ehrfürchtiges Schweigen versank und so lange nicht mehr den Mund auftat, bis die Männer unruhig wurden.
»Der da – oder jener?« fragte sie schließlich und berührte verschiedene Zweige. Dann blieb sie wie angewurzelt und sichtlich von einem unerwarteten Einfall betroffen stehen. »Oder meinen Sie, daß wir einen ganz kleinen Baum mitnehmen könnten?«
»Einen Baum?« wiederholte Major Vassovic erstaunt.
»Einen Baum?« kam Lulaschs Echo nach.
»Den kleinen hier, zum Beispiel. Er sieht wie ein niedlicher Weihnachtsbaum aus.«
»Aber wir haben Sommer«, machte Major Vassovic sie aufmerksam.
»Ja«, nickte Mrs. Pollifax und holte dann unbarmherzig zum coup de grâce aus. »Aber ich werde nicht – ich werde nicht mehr da sein und Weihnachten nie mehr erleben.«
Damit war es entschieden. Lulasch bekam schmale Lippen vor Empörung. »Sie soll den kleinen Baum haben«, verkündete er.
»Natürlich«, nickte der Major und zerrte an dem Bäumchen, um die Stärke der Wurzeln festzustellen. Lulasch half ihm ein wenig, und schon war der junge Baum ausgerissen.
»Bezaubernd«, murmelte Mrs. Pollifax gefühlvoll, und mit dem Baum wie einem vierten Begleiter in ihrer Mitte, marschierten sie zu dem Steinbau zurück.
»Ja, was soll denn das?« rief Farrell, als Lulasch den Baum an die Zellenwand lehnte.
»Ist er nicht hübsch? Weihnachten im August«, sagte Mrs. Pollifax und blinzelte Farrell warnend zu, weil Oberst Nexdhet auf seiner Pritsche saß und eine Zeitung las. Aber er war schon im Begriff, sie zusammenzufalten, nickte kurz und entfernte sich mit seinem Feldstecher.
Sobald er fort war, setzte Mrs. Pollifax sich auf ihre Pritsche und sagte gereizt: »Ich bin mir in der Seele zuwider. Eben habe ich das abscheulichste Theater meines
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