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kommt wie gerufen

kommt wie gerufen

Titel: kommt wie gerufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Gilman
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schlechte Gewohnheiten an, Herzogin «, grinste Farrell.
    Der Dschinn duckte sich schon zwischen die Ziegen. Seine neue Rolle schien ihn nicht zu berühren. Er blinzelte einmal über die Schulter zurück, und seine Augen funkelten genauso gespannt wie immer. Unglücklich sank Mrs. Pollifax auf die Knie und kroch zwischen die Ziegen. »Treiben Sie sie um Himmels willen langsam an«, bat sie ihn.
    Farrell ergriff den Hirtenstab, und der Junge stieß einen kehligen Ruf aus, und langsam setzte sich die Herde, deren Kernstück Mrs. Pollifax, der Dschinn und der Hirte bildeten, in Bewegung.
    Die Hauptarbeit leistete der Junge, der hin und her rannte, um die Ziegen dicht beisammen zu halten. Schon das Kriechen auf allen vieren fiel Mrs. Pollifax schwer, aber der mörderische Gestank der Ziegen war ihr nahezu unerträglich. Ab und zu hielten Farrell und der Junge die Herde an, damit die drei Luft schöpfen konnten. Der Boden wurde immer abschüssiger, das weiche Gras spärlicher, und scharfe Kieselsteine schnitten sie in die Knie, und sobald sie den Schatten der Felsen hinter sich hatten, stach die Sonne unbarmherzig.
    Schon für ein Kind wäre es mühsam gewesen, so lange auf allen vieren zu kriechen, für eine Frau ihres Alters war es einfach eine Zumutung. Mißmutig kroch Mrs. Pollifax etwa eine Stunde lang zu Tal, aber endlich bemerkte sie, daß die Herde angehalten hatte und ein Hirtenstab sie leise berührte. Sie blickte auf und sah in Farrells Gesicht. »Sie dürfen wieder aufstehen, Herzogin«, sagte er.
    »Man kann uns vom Felsen nicht mehr sehen. Wir haben das Tal erreicht.«
    Er sah erschöpft und bleich aus. Mrs. Pollifax rappelte sich mühsam auf und musterte Farrell: »Wo ist Ihre Krücke?«
    »Der Mann hat sie.«
    Der Dschinn sah so frisch und vergnügt aus, daß Mrs. Pollifax ihn beinahe haßte. Sie tat einen Schritt nach vorn und wäre beinahe gefallen, erlangte aber ihr Gleichgewicht wieder und sah ihre aufgeschürften Knie wütend an. Da sie jedoch immer auf Manieren gehalten hatte, drückte sie trotzdem dem Jungen und seinem Vater, die ihnen ohne Rücksicht auf ihre eigene Sicherheit geholfen hatten, herzlich die Hand.
    »Det«, sagte der Mann immer wieder und wieder und zeigte nach Westen.
    Mrs. Pollifax vermutete, daß das Wort Meer bedeutete, und nickte lächelnd. Auch Farrell schüttelte den beiden die Hände, und der komische kleine Dschinn setzte zu seinen unzähligen Verneigungen an. Der Mann und der Junge kehrten zur Herde zurück, und Mrs. Pollifax, Farrell und der Dschinn blieben allein.
    Sie standen am Fuße der letzten Bodenwelle inmitten eines ausgetrockneten Bachbettes. Hinter ihnen erhoben sich terrassenförmig die Weiden, die in dem alles überragenden Fels gipfelten. Vor ihnen dehnte sich das flache, trockene Tal, das bereits in der Hitze flimmerte. Gegen Süden lag, kaum sichtbar, etwas, das eine Reihe von Felsen oder ein Dorf sein mochte. Es gab fast keine Bäume.
    »Tja«, sagte Mrs. Pollifax unsicher, und dann schien ihr alles zuviel zu werden, und sie schlug eine Rast vor.
    »Kommt nicht in Frage«, lehnte Farrell rundweg ab. »Sicher werden die Berge schon durchkämmt, und anschließend wird man uns im Tal suchen.«
    Sie nickte. Die kahle Landschaft bot keinerlei Versteckmöglichkeiten, und sie war todmüde, aber immerhin waren sie bis hierher gelangt, und irgendwo im Westen lag die Straße. Sie blickte den Dschinn an, der ihr boshaft zu grinste. Farrell folgte ihrem Blick und seufzte tief: »In diesem Schädel steckt nichts als Stroh. Da haben Sie sich einen schönen Trottel mitgenommen, Herzogin.«
    Stirnrunzelnd erwiderte sie: »Ich weiß nicht, vielleicht ist er gar nicht so dumm, wie er tut.«
    »Jeder normale Mensch wäre jetzt müde oder halbtot vor Angst. Dieser Kerl aber kann nichts als grinsen. Na ja, jetzt haben wir ihn schon am Hals. Also gehen wir.«
    Sie blieben im Schutz des Bachbettes, denn sie wußten auch ohne viele Worte, daß sie trotz ihrer landesüblichen Kleidung auffallen mußten.
    Die Sonne war glühend heiß, und Mrs. Pollifax wurde immer schlapper. Sie stolperte im Panzer ihres Wollkleides und der zwei Unterröcke dahin, und wieder war ihre Müdigkeit so groß, daß sie beinahe nichts mehr empfand. Sie sehnte sich nach Wasser, das sie nicht hatten, und nach etwas Grünem an Stelle dieser öden heißen Augustlandschaft, die sie umgab. Sie merkte auch, wie mühsam Farrell humpelte. Einzig der Dschinn sah aus, als befände er sich auf einem Morgenspaziergang.

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