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kommt wie gerufen

kommt wie gerufen

Titel: kommt wie gerufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Gilman
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er sprach, duckte er sich entschlossen über das Lenkrad und Mrs. Pollifax griff nach Farrells Arm, denn sie hatte den Tachometer erblickt.
    »Das sind Kilometer, keine Meilen, Herzogin. Wir sind in Europa.«
    Trotzdem erschien ihr das Tempo beängstigend. Mrs. Pollifax sah aus dem Heckfenster, und schon entschwanden die Wachposten, die arbeitenden Sträflinge und die Suchmannschaft in der Ferne.
    »Diese Straße führt nach Shkodra«, sagte Farrell mit seiner alten Lebhaftigkeit. »Dorthin wollen wir doch nicht, oder?«
    »Wir besitzen nämlich eine Landkarte«, klärte Mrs. Pollifax den Dschinn auf. »Zwischen uns und Shkodra dürften zwei Dörfer liegen, und im Westen ist der Skutari-See, an dessen Südspitze Shkodra liegt. Möchten Sie die Karte sehen?«
    »Sie folgen uns«, fiel Farrell ihr heftig ins Wort. »Verdammt, sie haben eines der vierhundert Staatsautos organisiert.« Er sah zum Heckfenster hinaus und Mrs. Pollifax folgte seinem Beispiel. Er hatte recht. Schon sah sie die erste Staubwolke.
    »Drei bis vier Meilen hinter uns«, sagte der Dschinn nach einem Blick in den Rückspiegel. »Keine Zeit zum Kartenlesen. Ich meine, wir bleiben so lange wie irgend möglich im Wagen, der bewegt sich nämlich rascher als sechs Beine, von denen eines gebrochen ist. Benzin ist zum Glück genügend im Tank.« Er trat den Gashebel durch, und der Wagen schoß vorwärts.
    »Hundert Stundenkilometer«, dachte Mrs. Pollifax unglücklich und hätte gern die Augen geschlossen, wenn sie es nur gewagt hätte. Die Landschaft raste wie ein hastig abgespulter Film an ihnen vorbei: Olivenbäume, vereinzelte Gehöfte und Brunnen verschmolzen ineinander. Im gleichen Augenblick vernahm Mrs. Pollifax ein anschwellendes, unbestimmtes Geräusch, blickte aus dem Fenster und sah ein kleines Flugzeug, das einen Bogen beschrieb und sie ziemlich niedrig ein zweites Mal überflog. »In Shkodra hat man auch schon von uns gehört«, sagte Farrell verbissen.
    »Wir müssen aussteigen«, meinte der Dschinn. »Aber wo und wie, weiß ich wirklich nicht.«
    Das wußte Mrs. Pollifax auch nicht, aber sie begriff sofort, daß es nicht genügen würde, das Auto zu verlassen, wenn ihnen ein zweiter Wagen folgte und sie aus der Luft beobachtet wurden. »Ein Unfall«, sagte sie plötzlich.
    »Wie?«
    »Ein Unfall. Können Sie das Auto nicht zum Überschlagen bringen und dann anzünden? Dann glauben unsere Verfolger wenigstens ein paar Minuten lang, daß wir noch im Wagen sind.«
    Beide Männer überlegten schweigend, dann sagte der Dschinn:
    »Sie haben wohl keine Streichhölzer bei sich, wie?«
    »Zwei«, antwortete Farrell.
    »Und Sie sagen, rechts, also westlich von uns liegt ein See?«
    »Ja.«
    Der Dschinn hatte einen Pfad bemerkt, der von der Straße nach Shkodra abzweigte und verlangsamte das Tempo mit kreischenden Bremsen so weit, daß er in den Weg einbiegen konnte. Der Wagen schlitterte grauenhaft, und Mrs. Pollifax schlug mit dem Kopf gegen die Decke. Sie fuhren auf ein dichtes Wäldchen zu.
    »Das dürfte die beste Stelle sein«, sagte der Dschinn. »Die Bäume sind unsere Tarnung. Ich gebe Ihnen einen Vorsprung, Farrell – so heißen Sie doch, nicht wahr? Bestimmt hat keiner von uns die Kraft, den Wagen umzustürzen, aber ich versuche, gegen einen Baum zu fahren. So wie wir stehen, fangen Sie zu rennen an.«
    Kaum standen sie unter den Wipfeln, bremste er und riß den Wagenschlag neben Farrell auf. »Raus«, sagte er, »und laufen Sie geradeaus in dieser Richtung.« Er zeigte mit der Hand. »Beeilen Sie sich, so gut es geht!«
    »Ich auch?« fragte Mrs. Pollifax.
    Der Dschinn schüttelte den Kopf. »Raus, aber Sie warten auf mich. Sie müssen mir helfen.«
    Sie verließen den Wagen und Mrs. Pollifax stand unsicher da und starrte Farrell nervös nach, der um sein nacktes Leben humpelte.
    Dann hörte sie den Motor des Rolls aufheulen. Der Dschinn gab Vollgas. Dann prallten Baum und Auto zusammen. Der Dschinn war im letzten Augenblick unverletzt abgesprungen und suchte hastig nach den Streichhölzern, die Farrell ihm gegeben hatte. Sie rannte zu ihm, um zu helfen. »Wie? Wo?« rief sie.
    Mit zitternden Händen zerrte er an dem Tankverschluß. Mrs. Pollifax drehte daran und hob die Kappe ab. »Laufen Sie«, sagte der Dschinn und zündete eines der Streichhölzer an.
    Unfähig, zu widersprechen, gehorchte Mrs. Pollifax. Sie blickte erst zurück, als sie die Explosion hörte und dann tat sie es nur, um zu sehen, ob der Dschinn noch lebte. Er rannte

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