Komplott
Das Lager gibt es schon seit ein paar Monaten, und es ist bestens durchorganisiert. Noel Macombers Leute werden dort für den Einsatz in England ausgebildet. Das reicht von Englischkursen bis hin zur Unterweisung, wie man lautlos einen Menschen umbringt. Fünfzig von diesen Kämpfern hat Noel schon nach Aix eingeschleust, und morgen will er sie über Paris nach England bringen. Aber jetzt sind wir schon am Cours Mirabeau.«
Paula blickte aus dem Fenster und war beeindruckt. Der Cours war ein langer, breiter Boulevard, der auf beiden Seiten von alten Bäumen gesäumt wurde. In dem milden Klima Südfrankreichs standen sie bereits voll im Laub und verdeckten den Blick auf die oberen Stockwerke der stattlichen Häuser auf der rechten Seite der Straße.
»Hier haben früher wohlhabende Familien gewohnt«, erklärte Cardon, »aber jetzt sind in den meisten Häusern die Büros großer Firmen untergebracht. Diese Straße ist das Juwel der Stadt.«
Juwel ist der richtige Ausdruck, dachte Paula. Der Boulevard, auf dem zu dieser Zeit nur wenige Autos und Fußgänger waren, machte einen wirklich prachtvollen Eindruck. Philip hielt den Kleinbus vor einem großen, bestens gepflegten Gebäude an.
»Voilà, das Negre-Coste«, verkündete er. »Nicht ganz billig, dafür aber ein wirklich gutes Haus. Es wird Ihnen bestimmt gefallen.«
Die Zimmer waren riesengroß und frisch renoviert, hatten aber, wie Philip ihnen noch im Foyer versichert hatte, den liebenswerten Charme des alten Hotels bewahrt. In ihrer Suite im ersten Stock packte Paula rasch ihren Koffer aus und legte ihr Abendkleid, das sie in einer Schutzfolie mitgenommen hatte, auf das Bett.
Dann trat sie ans Fenster, öffnete es und blickte hinab auf den Boulevard. Das Fenster hatte Doppelscheiben, die tagsüber wohl sehr effektiv das Geräusch des Autoverkehrs dämpften. Nachdem Paula sich geduscht hatte, zog sie das Abendkleid an und legte dezentes Make-up auf.
Als sie damit fertig war, klopfte es an der Tür. Sie öffnete und ließ Tweed herein, der einen eleganten Abendanzug trug.
»Sie sehen fantastisch aus«, sagte er und küsste sie auf beide Wangen. »Ich bin wirklich verblüfft, dass Sie in Ihrem Notfallkoffer, den Sie immer in der Park Crescent bereithalten, sogar ein Abendkleid haben. Wie steht es mit dem Geld? Haben Sie Euros dabei?«
»Nein, nur ein paar Dollar. Dem Pagen, der mir mein Gepäck heraufgetragen hat, habe ich einen Zehn-Dollar-Schein gegeben, was ihn sehr gefreut hat. Er mag diese Euros nicht, hat er gesagt, die seien eigentlich nur zum Zigarrenanzünden gut.«
»Philip hat mir das hier für Sie gegeben«, sagte Tweed und reichte ihr einen Umschlag.
»Sehen Sie doch gleich einmal hinein.«
Paula zog ein Foto aus dem Umschlag und betrachtete es mit sichtlichem Unbehagen.
»Was für ein unsympathisches Gesicht. Wer ist der Kerl?«
»Das ist Radek, der Anführer der fünfzig Slowaken, die der Staatsschutz nach Frankreich geschmuggelt hat. Er ist bei Interpol als übler Messerstecher bekannt.«
Paula besah sich die Fotografie noch einmal. Sie zeigte einen kleinen, aber kräftig gebauten Mann mit slawischen Gesichtszügen, hohen Wangenknochen, scharfer Nase und spitzem Kinn. Er hatte dichtes schwarzes Haar, einen dunklen Schnurrbart und ein gemeines Grinsen auf dem Gesicht.
»Prägen Sie sich das Gesicht gut ein, damit Sie ihn er kennen, wenn er Ihnen über den Weg läuft«, sagte Tweed. »Newman und Butler haben auch so ein Foto bekommen. Philip denkt eben an alles. Aber jetzt lassen Sie uns zum Abendessen hinuntergehen …«
In dem weiträumigen Speisesaal waren nur ein paar der großen Tische besetzt. Jetzt in der Vorsaison hatte das Hotel wohl weniger Gäste als sonst. Philip gab Paula einen Handkuss und machte ihr Komplimente wegen ihres Kleides und ihres hervorragenden Aussehens. Normalerweise mochte sie so etwas nicht, aber bei Philip war das etwas anderes.
Sie bekamen einen Tisch in einer Ecke, wo sie sich ungestört unterhalten konnten, und schauten, während sie ihre Aperitifs tranken, in die reichhaltige Speisekarte.
»Wie haben Sie eigentlich von diesem Trainingslager in der Tatra erfahren, Philip?«, fragte Tweed, als alle sich etwas zu Essen ausgesucht hatten.
»Das war einfach. Ich habe dort einen vertrauenswürdigen Informanten, der die Gegend wie seine Westentasche kennt und mit dem ich dort schon öfter beim Skifahren war. Seine Mutter ist Slowakin und sein Vater Franzose. Die Information hat mich zweitausend Dollar
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