Komplott
sie schließlich. »Ein Onkel hat Viola und mir ein kleines Vermögen vererbt, von dem wir zwar einigermaßen gut leben, uns aber keinen Luxus leisten konnten. Und ich trage nun mal gern hübsche Klamotten von Escada oder Prada, und dafür brauche ich hin und wieder einen reichen Mann, der mir finanziell ein wenig unter die Arme greift.«
»Hin und wieder?«
»Viola hat mich auf die Idee gebracht.«
»Nun hören Sie aber auf!« Tweed verlor die Geduld. »Sie sind eine gemeine Lügnerin.
Ich hätte gute Lust, Sie zum Scotland Yard mitzunehmen.«
»Das würde ich Ihnen nicht empfehlen. Ich habe einflussreiche Freunde dort.« Sie streckte eine Hand quer über den Tisch hinüber nach ihm aus, aber Tweed wich ihr aus. Seine Gemütsaufwallung war vorbei, und er fuhr mit seiner normalen, sanften Stimme fort: »Macht es Ihnen denn überhaupt nichts aus, dass Ihre Schwester auf so grausame Weise ums Leben gekommen ist?«
»Überhaupt nichts. Im Gegenteil. Jetzt habe ich eine Konkurrentin weniger.«
Abermals erstaunte Tweed die Kaltblütigkeit dieser Frau. Sie sah ihn durchdringend an und hätte sich wohl gern an seiner Entrüstung geweidet, aber Tweed tat ihr den Gefallen nicht und machte ein ungerührtes, neutrales Gesicht. Dann zog er einen Block und einen Kugelschreiber aus der Jacketttasche und sah sie an. Marina wurde nervös.
Sie setzte sich in den Schneidersitz, wandte sich zu Tweed und lächelte ihn einladend an.
»Ich brauche Ihren vollen Namen, Telefonnummer und Handynummer. Was ist? Ich warte.«
Marina runzelte die Stirn und machte ein böses Gesicht. Ganz offensichtlich war sie enttäuscht, dass die Pose, die bei anderen Männern offenbar Wunder wirkte, bei ihm vergeblich war. Ohne ein Wort zu sagen, griff sie nach einer kleinen goldenen Schatulle auf dem Tisch, holte eine Visitenkarte heraus und reichte sie Tweed, der sie vorsichtig am Rand anfasste. Schließlich hatte er sich die Karte nur wegen ihrer Fingerabdrücke geben lassen.
Tweed stand auf.
»Kann sein, dass wir uns schon bald wiedersehen.«
»Das möchte ich hoffen«, erwiderte Marina mit einem lasziven Lächeln. »Wenn Sie an mich denken, kommen Sie bestimmt wieder.« Sie sprang auf. »Bin gleich wieder da.
Ich muss bloß mal für kleine Mädchen.«
Kaum hatte sie den Raum verlassen, streifte sich Tweed einen Latexhandschuh über, nahm sein leer getrunkenes Glas und wischte mit seinem Taschentuch rasch seine Fingerabdrücke ab. Als Marina zurückkam, trug sie ein durchsichtiges Negligee, das knapp oberhalb ihrer Knie endete. Tweed ging zur Tür, wobei er die Hand mit dem Handschuh hinter seinem Rücken verbarg. Er benutzte sie, um den Schlüssel umzudrehen und die Tür zu öffnen, dann zog er rasch den Handschuh aus und steckte ihn in die Tasche. Marina rief ihm noch etwas nach, aber er war bereits auf der Treppe.
Erst im nächsten Stockwerk blieb er stehen und blickte noch einmal nach oben. »Passen Sie gut auf, wen Sie in Ihre Wohnung lassen«, rief er hinauf zu Marina. »Vergessen Sie nicht, was Ihrer Schwester zugestoßen ist.«
Marina ging zurück in ihre Wohnung und warf geräuschvoll die Tür zu. Kurz darauf erschienen Paula und Marler am Treppengeländer im vierten Stock und kamen zu ihm herunter.
Als sie im Auto saßen, sagte Paula zu Tweed, der angestrengt an der Fassade des Hauses nach oben blickte: »Sie kann uns nicht sehen. Das einzige Fenster ihrer Wohnung, das auf diese Straße hinausgeht, hat eine Milchglasscheibe. So, wie Sie aussehen, nehme ich an, dass es kein angenehmes Gespräch war.«
»Ganz genau. Diese Marina ist eine herzlose, eiskalte Schlange.«
Langsam fuhr Tweed die dunkle Straße entlang, als er eine alte Frau in einem schäbigen, zerrissenen Mantel sah, die in den Mülltonnen vor den Häusern offenbar nach irgendwelchen noch brauchbaren Dingen suchte. Tweed hielt an, stieg aus und sagte mit freundlicher Stimme zu der Frau: »Ich schätze mal, da finden Sie nichts Gescheites.«
»Man kann nie wissen, Sir«, antwortete sie mit einem starken Cockney-Akzent. »Mein Freund hat mal eine echte Perlenkette in einer Aschentonne gefunden. Hat er natürlich zur Polizei gebracht, ist ja viel zu gefährlich, so was zu behalten. Kann einen in null Komma nichts ins Gefängnis bringen.« Sie ließ den Deckel geräuschvoll auf die Mülltonne fallen. »Und was machen Sie so spät hier in der Gegend? Haben wohl der Lady da oben einen kleinen Besuch abgestattet, oder? Sie soll den Männern ja ein halbes Vermögen
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