Komplott
muss.«
»Eigentlich hätte Hammer sie sicherstellen müssen«, brummte Tweed kopfschüttelnd, während er sich wieder ans Durchsuchen der Schubladen machte.
Auf dem Boden der jetzt leeren Schatulle befand sich ein Kissen aus dunkelblauem Samt, das Paula mithilfe einer langen Nagelfeile, die sie aus ihrer Umhängetasche geholt hatte, vorsichtig heraus hebelte. Darunter kam ein gefaltetes Blatt Papier zum Vorschein. Paula faltete es auf.
Marina anrufen
, las sie. Darunter standen die beiden Telefonnummern, die ihr Coral Flenton vorhin gegeben hatte. Sie brachte Tweed das Blatt, der es sich mit zusammengepressten Lippen besah.
»Schon wieder etwas, was Hammers Experten entgangen ist«, sagte er zu Marler.
»Was habe ich gesagt? Auch Experten machen Fehler.«
»Wenn wir hier fertig sind, statte ich Marina einen Besuch ab«, verkündete Tweed.
»So spät?«, fragte Marler.
»Ich bin mir sicher, dass Marina eine ebensolche Nachteule ist wie ihre Schwester. Und außerdem erfährt man oft mehr von den Leuten, wenn man unerwartet bei ihnen hereinschneit.«
»Aber wir kommen mit«, sagte Marler. »Wir lassen Sie nicht mitten in der Nacht allein durch die Stadt fahren.«
»In Ordnung. Aber Sie müssen unsichtbar bleiben, denn wenn wir zu dritt bei ihr anrücken, sagt Marina bestimmt kein einziges Wort.«
25
Die Fahrt durch das nächtliche Mayfair fand Paula ziemlich unheimlich. Nirgends war eine Menschenseele zu entdecken, und als Tweed in eine dunkle Sackgasse abbog, machte sich im Inneren des Wagens eine betretene Stille breit, die allen drei Insassen aufs Gemüt schlug.
Marinas Wohnung befand sich in einem der hohen, alten Mietshäuser, die sich auf beiden Seiten der Straße entlang zogen und Paula an die Kulissen eines unheimlichen Kriminalfilms erinnerten. Sie stiegen ein paar Stufen zur Haustür hinauf, und als Tweed gerade die Klingel drücken wollte, unter der Marina Vander-Browne stand, zupfte Marler ihn am Ärmel.
»Die Haustür steht offen«, flüsterte er. In einer Straße wie dieser flüsterte man automatisch.
Vorsichtig drückte Tweed die schwere Tür nach innen und trat in einen dunklen Hausgang, an dessen Ende sich ein ebenso dunkles Treppenhaus befand.
Ohne auf den Lichtschalter zu drücken, flüsterte Tweed: »Folgen Sie mir. Der Klingel nach zu schließen, muss die Wohnung im dritten Stock sein.«
Langsam tasteten sie sich drei mit einem dünnen Läufer belegte Treppen hinauf. Im dritten Stock blieb Tweed stehen und blickte nach oben. Über ihnen gab es noch eine weitere Etage. Marler reichte Tweed eine seltsam aus sehende Pfeife und steckte sich einen kleinen Hörer mit einem langen Draht daran ins rechte Ohr.
»Paula und ich warten da oben. Wenn es Probleme gibt, pfeifen Sie. Marina kann das nicht hören, aber ich.«
Als die beiden sich im vierten Stockwerk versteckt hatten, trat Tweed an die Tür und drückte auf den Klingelknopf. Nichts. Er klingelte ein zweites Mal, und nach ein paar Sekunden ging in der Tür eine kleine Klappe auf, durch die ihn zwei Augen misstrauisch anstarrten.
»Miss Vander-Browne?«, fragte er und hielt seinen Ausweis in die Höhe. »Ich untersuche den Mord an Ihrer Schwester Viola. Würden Sie mich bitte hereinlassen?«
»So spät noch?«, fragte eine schneidend kalte Frauenstimme, und aus dem kleinen Sichtfenster drang bläulicher Zigarettenrauch. »Wie heißen Sie?«
»Steht alles in meinem Ausweis«, erwiderte Tweed. »Ich bin vom SIS, und mein Name ist Tweed.«
»Sieh mal einer an. Da haben Sie aber Glück, dass ich ein Nachtmensch bin. Einen Augenblick, ich sperre Ihnen auf.«
Während sie das sagte, drehte sie die Schlüssel in drei Schlössern um und entfernte eine Sperrkette, die dem Klirren nach zu schließen ziemlich massiv sein musste. Die Wohnung ist verbarrikadiert wie eine Festung, dachte Tweed, als sie endlich die Tür öffnete und ihn hereinließ. Zu seiner Erleichterung stellte er fest, dass sie hinter ihm nur eines der Schlösser wieder zusperrte und den Schlüssel stecken ließ.
»Kommen Sie, trinken Sie etwas mit mir«, sagte Marina, während sie ihn von Kopf bis Fuß eingehend musterte. »Und rauchen dürfen Sie bei mir auch, wenn Sie wollen.«
Tweed war überrascht, wie ähnlich sie ihrer Schwester sah, stellte aber auch fest, dass sie einen viel härteren Zug um den Mund hatte als Viola.
Sie trug ein kurzes weißes Kleid, das ihre bemerkenswert gute Figur hervorragend zur Geltung brachte. Ihre Augen waren ebenso blau wie die
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