Komplott
besuchen? Es war kurz nach zwei Uhr morgens. Es gab nur einen Weg, es herauszufinden.
Den Rest der Fahrt über dachte er angestrengt nach. Das war der schwierigste Fall, mit dem er es jemals zu tun gehabt hatte, inklusive derer, die er früher als Inspector bei Scotland Yard gelöst hatte. Bis jetzt hatte er noch nicht einmal eine Ahnung, wer der oder die Hauptverdächtige sein könnte.
In der Park Crescent parkte er den Wagen vor dem Haus, drückte die Glocke im vereinbarten Rhythmus und wartete, bis George ihm aufgeschlossen hatte. Dann eilte er die Treppe hinauf und riss gespannt die Tür zum Büro auf. In dem Raum saßen zwei Frauen.
Die eine war Monica, die wie üblich an ihrem Computer arbeitete, die andere war Miss Partridge, die auf dem Stuhl vor seinem Schreibtisch saß und gerade eine Tasse Kaffee an den Mund führte. Als sie ihn sah, schenkte sie ihm ein warmes Lächeln, aber Tweed bemerkte trotzdem, wie angespannt und verängstigt sie war. Ganz ähnlich wie bei ihrem ersten Besuch, der ihm jetzt eine halbe Ewigkeit her zu sein schien.
»Ich hoffe, Sie nehmen es mir nicht übel, dass ich Sie zu dieser unchristlichen Stunde überfallen habe«, sagte sie mit leiser, heiserer Stimme. »Aber ich brauche eine sichere Zuflucht. Jemand ist meinem Wagen gefolgt, als ich vorhin nach Hause fahren wollte.
Und die Straßen waren so leer …«
Sie brach ab, während Tweed verständnisvoll nickte und hinter seinem Schreibtisch Platz nahm.
»Woher kamen Sie?«, fragte er ruhig. »Und was für ein Wagen war das, der Sie verfolgt hat?«
»Ich kam aus Whitehall. Da habe ich den Wagen auch zum ersten Mal gesehen. Erst habe ich mir nicht viel dabei gedacht, aber als er dann alle Abzweigungen genauso nahm wie ich, bin ich hierhergefahren in der Hoffnung, dass Sie noch in Ihrem Büro wären. Was für eine Automarke es war, weiß ich leider nicht. Ich erkenne so etwas nie.«
»Warum sind Sie so sicher, dass der Wagen Ihnen gefolgt ist? Er könnte doch auch zufällig denselben Weg genommen haben.«
»Er hatte die Scheinwerfer voll aufgeblendet und fuhr immer ganz dicht auf. Ich konnte kaum mehr die Fahr bahn sehen, so stark haben mich die Scheinwerfer im Rückspiegel geblendet.«
»Könnte es einer der Macomber-Brüder gewesen sein?«
»Das kann ich wirklich nicht sagen. Ich habe ja nicht einmal sehen können, ob es ein Mann oder eine Frau war. Dürfte ich mir vielleicht meinen Mantel ausziehen? Es ist ziemlich warm hier.«
»Natürlich.«
In diesem Augenblick kam Howard, der Direktor des SIS, ins Büro. Howard, der Anfang fünfzig war, trug immer einen grauen Chester-Barrie-Anzug mit Nadelstreifen, ein blütenweißes Hemd mit goldenen Manschettenknöpfen und eine elegante Krawatte von Valentino.
Sein großes, glatt rasiertes Gesicht war rosig und rund, und er sprach mit einem prononcierten Oberklassenakzent. Der Mann strahlte Autorität aus.
»Entschuldigen Sie, dass ich so spät noch störe«, sagte er, nachdem er mehrmals von Tweed zu dessen Besucherin und wieder zurück geblickt hatte. »Ich dachte, außer Monica wäre niemand mehr hier im Büro.«
»Darf ich vorstellen?«, fragte Tweed. »Mr. Howard, der Direktor des SIS. Und das ist Miss Zena Partridge, die vorbeigekommen ist, um mir eine wichtige Mitteilung zu machen.«
Miss Partridge konnte den Blick kaum von Howard wenden, und Tweed hatte fast das Gefühl, als könne er ihre Gedanken lesen: Ob der wohl ein guter Fang wäre? Hat bestimmt viel Geld. Ist er verheiratet?
Hör auf damit, sagte sich Tweed. Deine Fantasie geht mit dir durch. Howard lächelte Miss Patridge, die ihn geradezu anhimmelte, freundlich an und wandte sich dann an Monica.
»Könnten Sie mir bitte die ersten zwanzig Seiten des Berichts noch einmal geben? Ich muss rasch noch etwas nachschauen.«
Monica öffnete eine Schublade, nahm die gewünschten Seiten heraus und reichte sie ihm. Howard dankte ihr und verließ das Büro. Eigentlich hatte er den ganzen Bericht seit dem Vormittag auf seinem Schreibtisch liegen und brauchte vermutlich nur eine Ausrede, um rasch das Büro verlassen zu können.
»Ihr Direktor ist ein beeindruckender Mann«, bemerkte Miss Partridge.
Während der Unterbrechung hatte sie den Mantel ausgezogen und saß nun in einem dünnen blauen Kleid mit Spaghettiträgern da, das ihre Schultern entblößte. Mit einer Hand strich sie sich eine Strähne ihres vollen braunen Haars aus dem Gesicht.
»Ich habe jetzt richtig Angst davor, nach Hause zu fahren. Wäre es zu
Weitere Kostenlose Bücher