Konfessor - 17
Haltung hatte eine seltsam anziehende Wirkung auf ihn, ihr Trotz dagegen reizte ihn zu Gewaltausbrüchen, was ihre Tortur nur noch verschlimmerte. Andererseits konnte sich Kahlan nicht vorstellen, dass sie selbst sich, wäre sie an der Reihe, anders verhalten würde.
Schon mehrfach war Jagangs wüster Zornesausbruch schlagartig abgeflaut, als ihm plötzlich aufging, dass er womöglich zu weit gegangen war. Dann waren hastig die Schwestern herbeigerufen worden, um sie wiederzubeleben. Während sie verzweifelt um ihr Leben rangen, war Jagang mit sorgenvoller, schuldbewusster Miene auf und ab gegangen, nur um nach ihrer erfolgreichen Heilung seiner Empörung abermals freien Lauf zu lassen und ihr vorzuwerfen, sie habe ihn überhaupt erst dazu getrieben.
Manchmal, wie am Abend zuvor, ließ er Kahlan und Julian im Vorraum zurück, während er Nicci mit nach drinnen nahm, um die Nacht mit ihr alleine zu verbringen. Kahlan vermutete, dass dies seiner Vorstellung von zärtlicher Romantik entsprach. Ehe Nicci ins Schlafgemach gezerrt wurde, hatte sie noch einen kurzen, verstohlenen Blick mit Kahlan wechseln können, einen Blick gegenseitigen Einverständnisses, dass die Welt völligem Wahnsinn anheimgefallen war. So sehr Kahlan die Ja’La-Spiele verabscheute, sie wollte unbedingt den Mann wiedersehen, den alle Rüben nannten. Den täglichen Schilderungen, die unter den Gardisten die Runde machten, entnahm sie, dass die Mannschaft von Kommandant Karg bisher alle Partien gewonnen hatte, vor allem aber wollte sie die Angriffsspitze mit der seltsamen Bemalung sehen, den Mann mit den grauen Augen, der sie offenbar wiedererkannt hatte.
»Seht mal, hier.« Schwester Ulicia tippte auf eine Seite in einem der Bücher. »Diese Formel unterscheidet sich von den beiden hier.« Kahlan betrachtete ihre Rückenpartien, während die beiden, über den Tisch gebeugt, die offen vor ihnen liegenden Abschriften miteinander verglichen. Die beiden hünenhaften Leibwächter Jagangs drüben auf der anderen Seite neben dem Zelteingang hielten ebenfalls ein Auge auf die Schwestern, im Gegensatz zu den beiden gewöhnlichen Soldaten - Kahlans Sonderbewacher -, die zu Kahlan herüberstarrten. Kahlan errötete, als sie es bemerkte, und verdeckte die durch einen fehlenden Knopf an ihrem Hemd entstandene Blöße mit einer dicken Strähne ihres Haars.
»Ja …«, bestätigte Schwester Armina gedehnt. »Die Stellung der Sterne ist eine andere. Wenn das nicht seltsam ist.« »Jedenfalls erschwert es das Erkennen der Unterschiede. Und nicht nur das, seht doch, hier. Die Winkel des Azimuthkreises sind unterschiedlich.« Schwester Ulicia zog eine der Öllampen näher zu sich heran. »Und zwar in allen drei Exemplaren.«
Schwester Armina nickte, während ihr Blick zwischen den Büchern hin und her wechselte. »In den ersten beiden ist uns das gar nicht aufgefallen. Ich dachte immer, sie wären exakt gleich, aber dem ist nicht so.«
»Bei einer solchen Kleinigkeit ist es nur zu verständlich, wieso es uns entgangen ist.« Schwester Ulicia wies auf die Bücher. »Mit anderen Worten, alle drei sind unterschiedlich.« »Was bedeutet das deiner Meinung nach?«
Schwester Ulicia verschränkte die Arme. »Eigentlich kann es nur bedeuten, dass zumindest zwei von ihnen unkorrekte Abschriften sind, aber nach allem, was wir wissen, könnten auch alle drei fehlerhaft sein.« Schwester Armina ließ ein unglückliches Seufzen vernehmen. »Damit hätten wir einen weiteren Hinweis, der uns aber leider nichts Brauchbares verrät.«
Schwester Ulicia warf der anderen Frau einen Seitenblick zu.
Seine Exzellenz hat eine Art, mit Dingen aufzuwarten, die ich ihm iemals zugetraut hätte. Vielleicht findet er ja auch noch die anderen .bschriften, dann hätten wir endlich etwas, anhand dessen wir eine eindeutige Aussage treffen könnten.«
Unvermittelt wurde der Vorhang vor der Türöffnung zur Seite geschlagen, und Jagang stieß Nicci durch die Öffnung. Sie stolperte und landete vor Kahlans Füßen. Dort blickte sie kurz auf, tat aber, als sehe sie Kahlan nicht - ein Täuschungsmanöver, das sie seit ihrer Gefangennahme durch Jagang unverändert beibehalten hatte. Kahlan konnte die Wut in ihren Augen sehen, die Wut und auch die Schmerzen. Und die verzweifelte Hoffnungslosigkeit. Am liebsten hätte sie sie in die Arme genommen und getröstet, ihr gesagt, alles werde wieder gut, aber das stand völlig außer Frage. Außerdem wäre es eine glatte Lüge gewesen.
»Was habt ihr
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