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Konrad Sejer 03 - Wer hat Angst vorm boesen Wolf

Konrad Sejer 03 - Wer hat Angst vorm boesen Wolf

Titel: Konrad Sejer 03 - Wer hat Angst vorm boesen Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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wurden, in dem das Rauschen eines weit entfernten Flusses zu hören war. Er war Häuptling Geronimo aus den Bergen von Arizona. Er mußte sechzehn Pferde besorgen, um die schöne Alope heiraten zu dürfen. Er schloß die Augen und öffnete sie nur ab und zu für einen Moment, um nicht zu stolpern.
    Der Wind flüstert Nimo, Nimo.
    In seinem Bett lagen fünfhundert weiße Skalps. Er strich mit einer Hand über den Koffer und dachte das gleiche, was der große Häuptling so oft gedacht hatte: Alles hat Kraft. Wenn du sie berührst, berührt sie auch dich.
    Einmal hörte er einen Hund, der in weiter Ferne klagend bellte. Ansonsten war alles still.
     

MORGAN SPÜRTE, daß seine Kopfhaut schon schweißnaß war. Vor ihm zitterte der Revolverlauf. Wahrscheinlich war er gar nicht wach. Vielleicht war das alles eine Reaktion auf die Entzündung, die sich nun energisch in seinem Körper ausbreitete und ihm diese Halluzinationen eingab. Fieberphantasien.
    Er sah Errki an und dachte, wie schrecklich es sein mußte, immer wieder solche Halluzinationen zu haben, die einem Tod und Verderben und Strafe androhten, wahnwitzige Schreckensbilder, Jahr um Jahr.
    »Ich bin krank«, stöhnte er. »Ich glaube, ich muß kotzen.«
    Er hatte lange geschlafen. Das Licht vor dem Fenster hatte sich verändert, die Schatten waren länger geworden. Errki sah, daß Morgans Haut jetzt gelblich schimmerte. Er ließ den Revolver sinken.
    »Kotz du nur«, sagte er. »Der Fußboden ist sowieso verdreckt.«
    »Wo zum Teufel hast du den her? Du hattest ihn doch ins Wasser geworfen.« Morgan setzte sich widerwillig auf und schaute sich den Revolver genauer an. »Den hast du die ganze Zeit gehabt, was?«
    Dabei versuchte er, sich zu einem Ball zusammenzukrümmen, damit er eine weniger große Zielscheibe abgab.
    »Warum hast du die alte Oma nicht abgeknallt? Im Radio haben sie doch gesagt, du hättest sie erschlagen.«
    Errki merkte, wie Wut in ihm aufloderte. Er hob den Revolver wieder. Morgan schrie: »Schieß doch einfach. Ist mir scheißegal!«
    Es war seltsam. Er spürte, daß er ehrlich war, er mochte einfach nicht mehr.
    »Du brauchst einen Arzt«, sagte Errki nachdenklich. Der Revolver in seiner Hand zitterte. Er wußte nicht, was er treffen würde, wenn er jetzt abdrückte, vermutlich Morgans Bauch oder das grüne Sofa.
    »Und seit wann machst du dir Sorgen um mich? Glaubst du, darauf fall ich rein? Glaubst du, irgendein Schwein interessiert sich für das, was ein Verrückter von sich gibt? He! Ich schaff es ja nicht mal bis zur Straße. Mir geht’s zu schlecht. Mir ist schwindlig. Ich hab Schüttelfrost – das ist doch ein Zeichen für Schock, oder?«
    Er ließ sich wieder zurücksinken und schloß die Augen. Der Irre konnte doch wirklich auf die Idee kommen zu schießen. Er wartete auf den Schuß, lag ganz unbeweglich da, irgendwo hatte er gelesen, daß ein Schuß nicht besonders weh tue, ein Ruck durchfahre den Körper, und das sei alles.
    Errki starrte Morgans Nase an. Sie war geschwollen und hatte eine ekelhafte bläuliche Färbung angenommen. Er betastete seine Zähne mit der Zunge. Erinnerte sich deutlich an den Geschmack von Haut und Fett, gefolgt von widerlichem Blut.
    Morgan wartete noch immer. Aber es fiel kein Schuß.
    »O Scheiße«, stöhnte er. »Das hast du wirklich toll hingekriegt. Ich werd noch an Blutvergiftung sterben.«
    Errki ließ die Arme hängen. »Ich werde eine Träne um dich weinen.«
    »Red keinen Scheiß!«
    »Du bist nur ein Ei in Kinderhand.«
    »Hör auf mit diesem Schwachsinnsgefasel.« Morgan war in eine Tragikomödie geraten, da war er sich ganz sicher. Nichts an diesem ganzen Tag war wirklich. »Du siehst doch, daß die Wunde sich entzündet hat! Ich habe Schüttelfrost, Mann!«
    »Du kannst gern nach deiner Mama rufen«, sagte Errki unverdrossen. »Ich werd dich nicht verpetzen.«
    Morgan schnaubte verächtlich. »Nach deiner Mama rufen kannst du selber.«
    »Die ist tot«, sagte Errki ernst.
    »Ja, das kann ich mir denken. Die hast du sicher auch umgebracht.«
    Eigentlich wollte Errki antworten. Die Antwort lag schon auf seiner Zunge bereit und wollte hinausrutschen. Doch dann erstarrte er.
    »Krieg ich deine Jacke?« murmelte Morgan. »Mir ist schrecklich kalt.« Er sah Errki an. »Was ist los mit dir? Du siehst so komisch aus.«
    »Sie ist die Treppe hinuntergefallen.«
    Errki spannte alle Muskeln an und hielt sich an dem Revolver fest. Es war so leicht, es waren nur Wörter, aber im Moment verrieten sie

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