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Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie

Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie

Titel: Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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Lene mit den blonden Haaren und an ihr am Kopfende mit Bast überzogenes Bett. An das Bettzeug mit den Margeriten. Unglaublich, dachte er und hob den Kopf. Ein Schatten huschte um die Ecke. Er starrte hinterher. Etwas an diesem Tempo fiel ihm auf, die plötzliche Bewegung, dann das Verschwinden. Als habe jemand ihn angestarrt. Er schüttelte den Kopf und stieg aus dem Auto. Ging zur Haustür und suchte nach seinen Schlüsseln. Wieder hörte er ein Geräusch. Blieb horchend stehen. Ich hab doch keine Angst vor dem Dunkeln, dachte er und schloß die Tür auf. Ging die Treppe hoch. Trat ans Fenster, um auf die leere Straße zu schauen. Stand da jemand? Schlug im Telefonbuch nach und nahm den Hörer ab. Es klingelte zweimal, dann meldete sie sich.
    »Jacob Skarre«, sagte er. »Wir haben neulich miteinander gesprochen. Ich war mit Konrad Sejer bei Ihnen. Können Sie sich an mich erinnern?«
    Lillian Sunde bejahte. Wie hätte sie diesen Besuch auch vergessen können?
    »Nur eine kleine Frage«, sagte er. »Haben Sie grünes Bettzeug mit Seerosen?«
    Lillian schwieg. »Soll das ein Witz sein?« fragte sie dann.
    »Bitte, beantworten Sie meine Frage«, sagte er.
    »Ich weiß das nicht so recht. Auf jeden Fall nicht ohne nachzusehen«, sagte sie zögernd.
    »Jetzt hören Sie aber auf«, sagte Skarre eindringlich. »Natürlich wissen Sie, was Sie für Bettzeug haben. Grün. Mit Seerosen.«
    Er hörte ein Klicken, als sie auflegte. Ihre Reaktion machte ihm zu schaffen.
     

GØRAN FRÜHSTÜCKTE AUF DER PRITSCHE, 
    er hielt das Tablett auf den Knien. Er aß langsam. Er hatte fast nicht geschlafen. Er wäre nie auf die Idee gekommen, daß er nicht schlafen könnte, als er endlich, nach vielen Stunden, in die Zelle zurückgeführt worden war. Sein Körper schmerzte und war bleischwer, als er sich angezogen ins Bett fallen ließ. Er schien zu verschwinden, als er in der dünnen Matratze versank. Aber seine Augen öffneten sich immer wieder. Und so lag er fast die ganze Nacht sozusagen körperlos da. Er bestand nur aus zwei aufgesperrten Augen, die die Decke anstarrten. Ab und zu waren draußen Schritte zu hören, zweimal klirrten Schlüssel.
    Er schluckte Brot und kalte Milch. Das Essen blieb ihm im Mund stecken. Das Gefühl, daß sein Körper ihn im Stich ließ, erschreckte ihn. Er hatte doch sonst immer die Kontrolle. Sein Körper hatte ihm immer gehorcht. Er hätte schreien mögen. Mit der Faust die Wand durchschlagen. In seinem durchtrainierten Körper hatte sich eine Energie angesammelt, die ihn in Fetzen zu sprengen drohte. Er saß still auf der Pritsche und schaute sich um, versuchte, einen Punkt zu finden, auf den er seine Energie richten könnte. Er könnte das Tablett an die Wand feuern, sein Bettzeug in Stücke reißen. Aber er blieb sitzen. Mäuschenstill, in einer Art motorischem Kollaps. Wieder starrte er sein Essen an. Betrachtete die Hände, die das Tablett hielten. Sie kamen ihm fremd vor. Weiß und schlaff. Das Schloß klickte. Zwei Polizisten traten ein, um ihn zu einem neuen Verhör zu holen. Cola und Mineralwasser waren schon gebracht worden, Sejer dagegen ließ sich nicht sehen. Die Beamten verließen ihn. Ihm kam der wahnwitzige Gedanke, daß er einfach aufstehen und hinausspazieren könnte. Aber vermutlich standen sie vor der Tür Wache. Oder nicht? Er setzte sich auf den bequemen Stuhl. Während er wartete, hörte er, wie das sieben Stockwerk hohe Gebäude zum Leben erwachte. Ihn umgab ein langsam lauter werdendes Rauschen, Schritte, Türenklopfen und Telefonklingeln. Nach einer Weile hörte er es nicht mehr. Er hätte gern gewußt, warum nicht. Niemand kam. Gøran wartete. Er lächelte grimmig bei dem Gedanken, daß das eine Art Folter sein könnte, um ihn mürbe zu machen. Aber jetzt war er wieder klar im Kopf, ihm war nicht mehr schwindlig, wie am Vortag. Er schaute auf die Uhr. Setzte sich anders. Versuchte, an Ulla zu denken. Sie war so weit weg. Er empfand ein tiefes Unbehagen, als er an Einars Kro dachte. An alle, die dort herumsaßen und redeten. Er konnte nicht bei ihnen sein und sie korrigieren. Was dachten sie? Was war mit seiner Mutter? Sie saß sicher flennend in einer Küchenecke. Der Vater war vermutlich hinter dem Haus beschäftigt, kehrte den Fenstern den Rücken, widmete sich wütend Axt oder Hammer. So lebten sie, dachte er plötzlich, kehrten einander den Rücken zu. Und dann gab es noch Søren aus der Tischlerei. Auch der machte sich sicher seine Gedanken. Vielleicht schauten Leute

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