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Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie

Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie

Titel: Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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Steuer überlassen.
    »Gøran ist unschuldig, nicht wahr?«
    »Das werden wir sehen.«
    »Aber ein alter Dorfkaufmann saugt sich so was doch nicht aus den Fingern.«
    »Alle können sich irren.«
    »Du auch. Hast du dir das schon einmal überlegt?«
    »Sehr oft.«
    Schweigen.
    »Hast du Vorurteile gegen Bodybuilder?« fragte Skarre ruhig.
    »Nein. Aber ich stelle dazu meine Fragen.«
    »Du stellst Fragen. Aber das ist doch wohl dasselbe wie ein Vorurteil?«
    Sejer schwieg. Er sah Skarre an. »Es geht um Aufladung, nicht wahr? Fleißiges Training über viele Jahre. Mit immer schwereren Gewichten. Früher oder später kommt dann das Bedürfnis nach einer Entladung. Aber die kommt nicht. Es gibt nur schwerere Gewichte, schwerere Gewichte. Mich würde das verrückt machen.«
    »Mm«, Skarre lächelte. »Verrückt. Und verdammt stark.«
    Neunzehn Minuten später fuhren sie vor Gunwalds Laden vor. Gunwald stapelte Müslipackungen aufeinander, als er durch das Fenster den Wagen sah. Bei dem Anblick sank er ein wenig in sich zusammen. Diese beiden Männer hatten etwas Bedrohliches. Die Anfänge einer Migräne wüteten in seiner Schläfe.
    »Tut mir leid«, flüsterte er. Seine Worte waren fast nicht zu hören. »Ich hätte viel früher anrufen sollen. Natürlich war es nicht Einar, und Gøran auch nicht. Deshalb hatte ich meine Zweifel.«
    »Einar Sunde?«
    »Ja.«
    Er biß sich auf die Lippe. »Ich habe ihn und sein Auto erkannt. Einen grünen Ford Sierra.«
    »Aber es war spät. Und fast dunkel.«
    »Ich habe es deutlich gesehen. Ich bin ganz sicher. Leider, muß ich wohl sagen.«
    »Sehen Sie schlecht?«
    Sejer nickte zu den dicken Brillengläsern hinüber.
    »Mit dieser Brille nicht«, sagte Gunwald.
    Sejer zwang sich zur Geduld und sah Gunwald an.
    »Es wäre besser gewesen, wenn Sie uns das sofort gesagt hätten.«
    Gunwald wischte sich die Stirn.
    »Niemand darf erfahren, daß ich das gesagt habe«, flüsterte er.
    »Das kann ich nicht versprechen«, sagte Sejer. »Ich kann ja verstehen, daß Sie sich Sorgen machen. Aber Sie sind ein wichtiger Zeuge, ob Ihnen das nun paßt oder nicht.«
    »Man wird so scheel angesehen, wenn man etwas sagt. Denken Sie doch nur an die arme Linda. Mit der redet niemand mehr.«
    »Wenn Gøran oder Einar oder beide etwas mit dieser Sache zu tun haben, meinen Sie, die Leute im Ort wollen nicht, daß sie dafür bestraft werden?«
    »Doch, natürlich. Wenn sie das waren.«
    Sejer holte tief Luft und atmete langsam wieder aus. »Über Leute, die wir kennen, wollen wir nur Gutes glauben. Aber alle kennen jemanden.«
    Gunwald nickte traurig. »Werden Sie ihn jetzt holen?«
    »Er muß erklären, was das zu bedeuten hat.«
    »Jomann wird sicher vom Schlag getroffen werden. Er kauft seine Zeitungen doch immer bei Einar.«
    Skarre schaute Gunwald lange an. »Wie alt sind Sie?« fragte er freundlich.
    »Wie alt ich bin? Fünfundsechzig.«
    »Wollen Sie sich nicht bald zur Ruhe setzen?«
    »Vielleicht«, sagte Gunwald müde. »Aber wie soll man dann die Zeit rumkriegen? Ich habe doch nur ihn.« Er zeigte auf den fetten Hund in der Decke.
    »Die Tage vergehen so oder so«, sagte Sejer. »Ich bin froh darüber, daß Sie uns Bescheid gesagt haben. Auch, wenn es gedauert hat.« Er machte eine höfliche Verbeugung. »Sie hören von uns.«
    Gunwald schaute lange hinter den beiden her. Er hörte, wie sie den Wagen anließen, sah sie nach rechts losfahren, in Richtung Kneipe. Dann trottete er zu seinem Hund hinüber.
    »Vielleicht sollten wir Schluß machen«, sagte er und streichelte den dunklen Hundekopf. »Dann könnten wir morgens länger schlafen. Und tagsüber häufiger Spazierengehen. Dich vielleicht ein wenig von deinem Speck befreien.« Er erhob sich und starrte aus dem Fenster. Stellte sich Einars Gesicht vor. Einige wenige Minuten in glücklicher Ahnungslosigkeit. Langsam ging er zur Tür und drehte das doppelte Schloß um. Es wurde ganz still. Es war eigentlich ziemlich leicht.
    »Komm«, sagte er zu dem Hund. »Komm, wir gehen nach Hause.«
     
    »Einar Emil Sunde?«
    Einar ballte die Fäuste um seinen Wischlappen.
    »Ja?«
    Zwei Frauen saßen beim Kaffee. Sie starrten unverhohlen. Er mußte sich auf den Tresen stützen. Lillian hatte ihn verlassen. Sie hatte die Hälfte der Möbel mitgenommen. In den Zimmern hallte es. Die Polizei kam in die Kneipe getrampelt. Was sollten die Leute denken? Wut und Angst wechselten sich in dem langen Gesicht ab.
    »Sie müssen das Lokal schließen und mit uns

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