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Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie

Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie

Titel: Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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kommen. Wir haben etwas mit Ihnen zu besprechen.«
    »Und das wäre?« fragte Einar nervös. Seine Stimme versagte. Er brachte nur ein Quieken hervor.
    Schweigend fuhren sie zur Wache. Die demütigende Notwendigkeit, die beiden Damen aus dem Lokal weisen zu müssen, hatte ihm den Schweiß ausbrechen lassen.
    »Ich will sofort zur Sache kommen«, sagte Sejer.
    Inzwischen hatten sie die Wache erreicht.
    »Am 1. September sind Sie unten am Norevann gesehen worden. Am Ende der Landspitze, Sie hatten einen Koffer bei sich. Nach einiger Zeit haben Sie den Koffer ins Wasser geworfen und sind mit Ihrem grünen Lieferwagen losgefahren. Der Zeuge, der Sie gesehen hat, hat uns angerufen. Wir haben den Koffer aus dem Wasser geholt. Er hatte der verstorbenen Poona Bai gehört, die am 20. August auf Hvitemoen ermordet worden ist.«
    Einar ließ hilflos den Kopf hängen.
    »Außerdem wissen wir, daß sie bei Ihnen war, in Ihrer Kneipe. Und deshalb unsere Frage, Sunde: Warum hatten Sie Frau Bais Koffer in Ihrem Besitz?«
    Einar machte eine seltsame Verwandlung durch. Innerhalb weniger Minuten war er ganz und gar entblößt, hatte jegliche Würde verloren. Es war kein schöner Anblick.
    »Das kann ich nicht erklären«, flüsterte er.
    »Ich gehe davon aus, daß Sie das können«, sagte Sejer.
    »An dem Abend war die Frau bei mir in der Kneipe. Das habe ich ja schon erzählt.«
    Er räusperte sich und hustete kurz.
    »Ja?«
    »Nur, um das ganz klarzustellen. Was ich jetzt erzähle, ist die Wahrheit. Ich hätte es früher sagen müssen. Das ist mein einziges Verbrechen.«
    »Ich warte«, sagte Sejer.
    »Sie trank also ihren Tee. Hinter der Ecke bei der Musikbox. Ich konnte sie nicht deutlich sehen und war außerdem mit anderen Dingen beschäftigt. Aber ich habe sie zweimal husten gehört. Sonst war in diesem Moment niemand im Lokal. Nur wir beide.«
    Sejer nickte.
    »Dann hörte ich plötzlich den Stuhl über den Boden scharren, und dann ihre Schritte. Gleich darauf fiel die Tür ins Schloß. Ich räumte gerade die Spülmaschine aus, deshalb ging ich nicht sofort zum Tisch, um die leere Tasse zu holen.«
    Er schaute auf. Seine Augen flackerten.
    »Und da habe ich den Koffer entdeckt.«
    »Den hatte sie also stehenlassen?«
    »Ja. Aber die Frau war spurlos verschwunden. Ich habe dann erst mal den Koffer angestarrt. Fand das schon seltsam. Daß jemand einen so großen Gegenstand vergessen kann. Aber sie war ja auch sehr aufgeregt gewesen. Dann dachte ich, daß sie vielleicht nur frische Luft schnappen wollte. Daß sie gleich wieder hereinkommen würde. Aber das tat sie nicht. Deshalb holte ich den Koffer und brachte ihn in mein Hinterzimmer. Und da stand er dann. Ich überlegte eine Weile, was ich tun sollte. Ihn mit zu mir nach Hause nehmen oder was. Ich dachte, daß sie ihn sicher holen würde. Deshalb habe ich ihn über Nacht in der Kneipe gelassen. Ich hatte ihn in den Kühlraum gestellt. Er nahm soviel Platz weg.«
    »Weiter«, sagte Sejer.
    »Am Tag danach habe ich dann im Radio von dem Mord gehört. Aber ich hatte nur die Hälfte mitbekommen. Zum Beispiel hatte ich überhört, daß die Frau keine Norwegerin war. Erst nach einiger Zeit erfuhr ich von einem Gast, daß sie vielleicht Pakistani war. Oder Türkin. Und da dachte ich, sie könnte es gewesen sein. Und ihr Koffer stand noch immer im Kühlraum. Mir ging auf, wie ernst die Lage war, sie war bei mir im Lokal gewesen, mit mir allein. Und deshalb hatte ich so meine Bedenken. Aber ich wußte doch nicht sicher, ob sie es wirklich gewesen war. Aber sie kam ja auch nicht zurück, um sich nach ihrem Koffer zu erkundigen. Ich machte mir also meine Gedanken. Und die Zeit verging, und alles wurde immer schlimmer. Am Ende erfuhr ich dann alles. Daß es sich um Jomanns Frau handelte, die er in Indien kennengelernt hatte. Und ich saß da, mit all ihrem Hab und Gut. Ich dachte mir, die Polizei findet den Mörder auf jeden Fall, mit oder ohne Koffer. Und deshalb beschloß ich, mich davon zu befreien. Wer hat mich denn bloß gesehen«, rutschte es aus ihm heraus.
    Sejer versuchte, diese Geschichte, die ihm irritierend wahrscheinlich erschien, zu verarbeiten. Lange blickte er in Sundes rotes Gesicht.
    »Eine Person, die ihren Namen nicht nennen möchte.«
    »Aber es muß doch jemand sein, der mich kennt. Ich begreife das nicht! Es war doch fast dunkel. Und ich konnte da unten keine Menschenseele entdecken!«
    »Sunde«, sagte Sejer und beugte sich vor. »Ich hoffe, Sie begreifen den Ernst

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