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Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie

Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie

Titel: Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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davon.
    »Ulla«, sagte er. »Wie war er gekleidet? Nach dem Training? Wissen Sie das noch?«
    Sie musterte ihn unsicher. »Ja, wie war das noch? Polohemd, so eins mit Kragen. Weiß. Und Levi’s. Schwarz. Das, was er meistens anhat.«
    »Wie hat er reagiert?«
    »Er wurde ganz weiß im Gesicht. Aber er konnte doch nichts machen. Wenn Schluß ist, dann ist eben Schluß. Deshalb hat er nichts gesagt. Ist einfach losgerannt und ins Auto gesprungen.«
    »Hat er gesagt, wohin er wollte?«
    »Nein. Aber ich habe ihm noch eine Weile hinterhergesehen. Er hat telefoniert, das weiß ich noch. Mit seinem Handy. Und dann ist er losgefahren. Mit quietschenden Reifen.«
    »Ulla«, sagte Skarre ruhig. »Wir werden noch mehrfach mit Ihnen reden müssen. Aber Sie brauchen keine Angst zu haben. Verstehen Sie?«
    »Ja«, sagte sie ernst.
    »Dann können Sie wieder an die Arbeit gehen«, sagte er. Er verließ das Einkaufszentrum und setzte sich ins Auto. Trommelte endlos lange mit den Fingern auf dem Lenkrad herum. Gøran Seter hatte Ulla nicht beim Babysitten Gesellschaft geleistet. Sie hatte Schluß gemacht. Ihn abserviert. Auf dem Heimweg war er an Hvitemoen vorbeigekommen. Er hatte allein in seinem roten Golf gesessen und ein weißes Hemd getragen.
     

LINDA HATTE SCHON MEHRERE MALE 
    Karens Nummer gewählt. Doch deren Mutter hatte gesagt, sie sei weggegangen. Sie hatte seit Tagen nicht mehr mit Karen gesprochen. Alle sahen sie an, wenn sie in der Kneipe saß oder durchs Dorf fuhr. Die Leute kamen ihr feindselig vor. Sie stand am Fenster und starrte in den schwarzen Garten hinaus. Inzwischen wucherten die Gerüchte darüber, wen die Polizei aufgesucht hatte, und vor allem, bei wem sie mehrmals gewesen war. Ihre Mutter war durchaus nicht begeistert von der Vorstellung, daß Linda die Polizei angerufen hatte. Und bisher hatte sich keine Möglichkeit zu einem Wiedersehen mit Jacob ergeben. Sie wußte nicht, wie sie ihn anlocken sollte. Sie hatte ihre verwirrenden Erinnerungsfetzen nach weiteren Details durchsucht. Die beiden Menschen, das seltsame Spiel. Wenn sie sich das jetzt überlegte, dann kam es ihr immer noch vor wie ein Spiel. Aber Jacob hatte gesagt, daß man sieht, was man sehen will. Und niemand will einen Mord sehen. Ein Mann läuft hinter einer Frau her, das kommt doch immer wieder vor. Deshalb hatte sie es so gedeutet. Gøran hatte sie an dem Tag, an dem sie sich sein Auto angesehen hatte, in der Kneipe wütend angestarrt. Jetzt hatte er sicher den Zusammenhang begriffen. Nicht, daß sie sich vor Gøran gefürchtet hätte, aber sie wollte ihm keinen Ärger machen. Sie wollte nur über das Auto reden. Viele fuhren doch einen Golf. Dieser hier konnte von überallher stammen. Jetzt war es zu spät. Die Polizei hatte mit Gøran und mit Ulla gesprochen. Und dann dachte Linda an Gørans Gesicht, an die Kratzer. Die mußten doch auch andere gesehen haben. Und auch andere würden sie erwähnen. Sie selber wollte nichts mehr sagen, nicht ein Wort! Aber sie mußte Jacob wiedersehen! Sie starrte aus dem Fenster und zerbrach sich den Kopf. Ihre Mutter war unterwegs, um aus den Niederlanden Tulpenzwiebeln zu holen. Im Haus war alles still, es war schon nach elf. Plötzlich stürzte sie auf den Flur und verriegelte die Tür. Das scharfe Klicken des Schlosses machte ihr angst. Sie setzte sich an den Küchentisch. Als das Telefon klingelte, fuhr sie dermaßen zusammen, daß sie aufkeuchte. Vielleicht war das ja Karen, die sich endlich meldete. Sie griff zum Hörer und rief Karens Namen. Aber niemand antwortete. Sie hörte nur ein Atmen. Verwirrt blieb sie mit dem Hörer in der Hand stehen.
    »Hallo?«
    Keine Antwort. Nur das Besetztzeichen. Mit zitternden Händen legte sie auf. Jetzt wollten sie sie also auch noch terrorisieren. Sie setzte sich aufs Sofa und kaute an ihren Fingernägeln. Draußen rauschten die Bäume. Niemand würde sie hören, wenn sie schrie. Die Angst drohte, sie zu überwältigen. Sie schaltete den Fernseher ein, machte ihn dann aber wieder aus. Wenn jemand zur Tür käme, würde sie das sonst nicht hören können. Sie beschloß, ins Bett zu gehen. Rasch putzte sie sich die Zähne und rannte die Treppe hoch. Zog die Vorhänge vor. Schlüpfte aus ihren Kleidern, kroch unter die Decke. Blieb liegen und horchte. Sie hatte ganz klar das Gefühl, daß draußen jemand war. Das war blöd. Es war noch nie jemand vor dem Haus gewesen, abgesehen von den Rehen, die das Fallobst fraßen, das sie nicht aufgesammelt hatten. Sie

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