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Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie

Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie

Titel: Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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kommen«, sagte sie leise.
    Skarre seufzte.
    »Ich habe frei«, sagte er ruhig. »Versuchen Sie, sich zu beruhigen, Linda. Es sind doch immer Leute unterwegs. Vielleicht hat ein Nachtwanderer eine Abkürzung durch Ihren Garten genommen.«
    »Ja. Verzeihung.«
    Sie preßte sich den Hörer so fest gegen das Ohr, daß Skarre mitten in ihrem Kopf zu sprechen schien.
    »Jetzt sage ich jedenfalls nichts mehr«, sagte sie trotzig.
    »Aber Sie haben doch sicher gesagt, was Sie wissen?«
    »Ja«, sagte sie leise.
    »Damit ist das abgemacht. Gehen Sie jetzt schlafen. Ich kann ja verstehen, daß Sie Angst haben. Es sind schreckliche Dinge geschehen.«
    Nicht auflegen , schrie eine Stimme in ihrem Kopf . Jacob ! Nicht !
    »Gute Nacht, Linda.«
    »Gute Nacht.«
     

GUNDERS WANGEN WAREN EINGEFALLEN. 
    Er war unrasiert, und sein Hemd hatte am Kragen einen schwarzen Rand. Gut, daß Marie mich so nicht sehen kann, dachte er. Er starrte Poonas Habseligkeiten an, die auf dem Tisch verteilt waren. Die Kleider waren jetzt trocken, aber das schmutzige Wasser hatte Flecken hinterlassen. Trotzdem war zu sehen, wie schön sie waren. Hier liegen die Kleider meiner Frau, dachte er. Ihr Nachthemd und ihre Haarbürste. Als er die Augen schloß, fiel ihm ein, wie sie immer ihre Haare von den Schultern gehoben hatte, um sie zu bürsten. »So bald das möglich ist, lassen wir alles zu Ihnen nach Hause bringen«, sagte Sejer.
    Er war unrasiert, und sein Hemd hatte am Kragen einen schwarzen Rand. Gut, daß Marie mich so nicht sehen kann, dachte er. Er starrte Poonas Habseligkeiten an, die auf dem Tisch verteilt waren. Die Kleider waren jetzt trocken, aber das schmutzige Wasser hatte Flecken hinterlassen. Trotzdem war zu sehen, wie schön sie waren. Hier liegen die Kleider meiner Frau, dachte er. Ihr Nachthemd und ihre Haarbürste. Als er die Augen schloß, fiel ihm ein, wie sie immer ihre Haare von den Schultern gehoben hatte, um sie zu bürsten. »So bald das möglich ist, lassen wir alles zu Ihnen nach Hause bringen«, sagte Sejer.
    Gunder nickte. »Es ist doch gut, das zu haben«, sagte er tapfer.
    »Noch etwas«, sagte Sejer dann. »Wir haben Post von der Polizei in Neu-Delhi bekommen. Sie können den Brief lesen, wenn Sie wollen.«
    Gunder nickte und nahm den Bogen entgegen. Mußte sich ein wenig Mühe geben, um den englischen Text zu verstehen.
    »Mr. Shiraz Bai, living in New Delhi, confirms one sister Poona, born on June 1st, 1962. Left for Norway on August 19th. Mr. Bai will come to Oslo on September 19th, to take his sister home.«
    Gunder keuchte auf. »Zurück? Nach Indien? Aber sie ist doch meine Frau. Ich habe den Trauschein hier! Bin ich denn nicht der nächste Angehörige? Darf er das überhaupt?«
    Gunder war so empört, daß er von einem Fuß auf den anderen trat. Die blauen Augen flackerten verängstigt, und der Briefbogen bebte in seinen Händen.
    Sejer versuchte, ihn zu beruhigen.
    »Wir werden Ihnen helfen. Sicher finden wir eine Lösung.«
    »Ich muß doch auch Rechte haben? Eine Trauung ist eine Trauung!«
    »Allerdings«, sagte Sejer.
    Er öffnete eine Schreibtischschublade. »Aber das gebe ich Ihnen auf jeden Fall mit.«
    Er reichte Gunder einen schmalen Briefumschlag. »Ihre Brosche.«
    Gunder mußte sich eine Träne abwischen, als er das schöne Schmuckstück sah. »Damit soll sie begraben werden«, beschloß er.
    Vorsichtig steckte er die Brosche in die Tasche und schloß seine Jacke fester.
    »Wir sind die ganze Zeit an der Arbeit«, sagte Sejer. »Wir werden diesen Fall lösen.«
    Gunder starrte zu Boden.
    »Aber ich verstehe natürlich, daß Sie andere Probleme haben«, sagte Sejer. »Jetzt, wo Sie Witwer sind.«
    Jetzt hob Gunder den Kopf. Sejer hatte ihn als Witwer bezeichnet. Ihm erschien das wie ein Trost. Er fuhr nach Hause und rief seinen Schwager an, um von Marie zu erzählen. Das machte er immer, wenn er aus dem Krankenhaus kam. Aber viel gab es nicht zu berichten.
    »Schon seltsam, daß jemand so still liegen kann«, sagte er zu Karsten. »Und nicht mal mit der Wimper zucken. Was ist, wenn sie jetzt ihre Stimme verliert!«
    »Die rostet sicher nur ein wenig ein«, meinte Karsten. »Sicher kann die trainiert werden.«
    »Alles muß trainiert werden«, sagte Gunder traurig. »Die Muskeln verschwinden. Sie sagen, der Körper wird ganz weich.«
    »Ja, ja. Wir müssen jetzt warten. Ich kann dieses ganze Gerede nicht mehr ertragen. Ich kapier das ja doch alles nicht.«
    Seine Angst und seine Lautstärke wuchsen.

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