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Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie

Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie

Titel: Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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Heck, der Wagen stand ja immer vor der Kneipe, mit dem Heck zur Straße. Ein Sierra Kastenwagen. Er konnte ihn jeden Tag von seinem Laden aus sehen. Ob dieses Hinweistelefon besetzt war, so spät am Abend? Er trank mehr Schnaps. Er konnte nicht schlafen gehen, wo er die Sache niemandem erzählt hatte. Einar würde außerdem niemals Müll ins Wasser werfen, fiel ihm jetzt ein. Vor der Kneipe stand ein riesiger Container, der einmal im Monat geleert wurde. Gunwald hatte ihn nie voll gesehen. Oben lagen Pappbecher und Styropor und Filtertüten. Er schaute den Hund an. Streichelte dessen Kopf. »Wir rufen morgen an. Jetzt ist Nacht. Du hast nicht gebellt«, flüsterte er staunend. »Ich kapier einfach nicht, wieso nicht. Du bist doch sonst so ein Kläffer.«
     

ES WAR AN DIE FÜNF METER TIEF, 
    und das Wasser war sehr trüb. Zwei Taucher waren bei der Arbeit. Sejer stand auf der Landspitze und sah zu, wie die undeutlichen Gestalten sich wie riesige Fische hin und her bewegten. Skarre trat neben ihn.
    »Erzähl von Gøran Seter«, sagte Sejer.
    Skarre nickte. »Hübscher junger Mann. Neunzehn Jahre alt. Einziges Kind von Torstein und Helga Seter. Wohnt noch zu Hause. Arbeitet in einer Tischlerei. War am 20. abends zum Training in der Stadt, im Fitness-Studio Adonis. Ist gegen halb neun an Hvitemoen vorbeigekommen.«
    »Und danach?«
    »War er mit seiner Freundin Ulla zusammen. Sie waren bei ihrer Schwester zum Babysitten.«
    »Wie hat er auf deine Fragen reagiert?«
    »Er hat bereitwillig alles beantwortet. Aber mir sind ein paar rote Kratzer in seinem Gesicht aufgefallen. Halbverheilte Wunden.«
    Sejer schaute auf. »Ach was. Hast du danach gefragt?«
    »Er hat mit seinem Hund gespielt. Er hat einen Rottweiler.«
    »Dieses Training – macht er das häufiger?«
    »Bestimmt. Wir reden hier von einem Muskelprotz. Wiegt sicher zwei Zentner.«
    »Ist er dir sympathisch?«
    Skarre lächelte. Sejer stellte manchmal seltsame Fragen.
    »Ja. Irgendwie schon.«
    »Wir müssen mit seiner Freundin reden.«
    »Das müssen wir.«
    »Ich habe mir eins überlegt«, sagte Sejer dann. »Wer ist abends unterwegs. Spätabends, hier unten am See. Leute mit Hunden?«
    »Sicher«, sagte Skarre.
    »Wenn ich da wohnte, wo Gunwald wohnt, würde ich mit meinem Hund hierher gehen.«
    »Ich glaube, er geht mit dem Hund nirgendwohin. Die Töle ist doch kugelrund.«
    »Aber wir müssen mit ihm reden. Wenn er angerufen hat, dann reißt er wie ein Tütengummi. Er ist nicht gerade hart.«
    »Ein Tütengummi?«
    »Warten wir mal ab, was wir hier finden.«
    »Er war seltsam am Telefon«, sagte Skarre. »Hat alles runtergeleiert wie auswendig gelernt und dann den Hörer auf die Gabel geknallt. Hatte eine Heidenangst.«
    »Was glaubst du, warum?«
    »Ich glaube, er hat gelogen. Hat gesagt, er hätte nur die Umrisse eines Mannes gesehen. In Wirklichkeit hat er ihn vielleicht erkannt. Und das hat ihm angst gemacht. Vielleicht, weil er ihn gut kennt?«
    »Genau.«
    Sejer starrte in die Tiefe. Blasen stiegen an die Wasseroberfläche und platzten. Ein Taucher kam nach oben und schwamm an Land. »Da liegt etwas. Sieht aus wie ein Kasten.«
    »Kann es ein Koffer sein?« fragte Sejer.
    »Schon möglich. Er ist schwer. Wir brauchen Seile.«
    Er ließ sich ein aufgerolltes Nylonseil geben und tauchte wieder. Die Männer am Ufer hielten den Atem an. Sejer wurde es schwindlig, als er sich vorbeugte und schaute.
    »Da kommen sie. Sie sind so weit.«
    Zwei Techniker zogen und zerrten ruckweise. Bald kam unter der Wasseroberfläche etwas zum Vorschein. Sie sahen den Griff, an dem die grüne Leine befestigt war. Sejer schloß glücklich die Augen. Er packte den Griff und half, den schweren Koffer an Land zu hieven. Dann lag er triefnaß und glänzend im Gras. Es war ein alter Koffer aus braunem Kunstleder mit kräftigen Griffen. An den Koffer angeschnallt war eine braune Aktentasche aus demselben Material. Ein Namensschild war an einem Griff befestigt, doch das Wasser hatte die Schrift aufgelöst. Sejer ließ sich ins Gras sinken und starrte den Koffer an. Unwillkürlich mußte er an Jomann denken.
    »Wieviel Wasser ist eingedrungen?« fragte Skarre.
    »Ziemlich viel. Der Koffer ist alt und abgenutzt.«
    Sejer hob den Koffer hoch. »Himmel, der ist ja vielleicht schwer. Ich begreife nicht, wie sie ihn den den ganzen Weg geschleppt haben kann.«
    »Wenn sie das getan hat. Sie hat in der Kneipe einen Tee getrunken. Nur Einar Sunde hat gesehen, wie sie das Lokal verlassen

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