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Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie

Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie

Titel: Konrad Sejer 05 - Stumme Schreie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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Karsten erwähnte Poona mit keinem Wort, obwohl jetzt alle Welt ihren Namen wußte. Gunder war davon zutiefst verletzt. Er machte sich an der verdrehten Telefonschnur zu schaffen. Karsten kam nicht oft ins Krankenhaus. Gunder selber saß gern am Bett seiner Schwester. Er sprach leise und traurig mit ihr über alles, was passiert war. Jetzt haben sie den Koffer gefunden, Marie. Mit ihren Kleidern. Und ihr Bruder kommt. Ich hab solche Angst. Ich habe ihm seine Schwester weggenommen. Poona hat zwar gesagt, daß sie keine sehr enge Beziehung hatten, aber trotzdem. Er hat ihr von der Reise abgeraten. Und er hat damit ja recht behalten.
    So redete er, wenn er bei ihr saß. So ordnete er seine Gedanken, einen nach dem anderen.
    Er war noch immer krankgeschrieben und wollte nicht zur Arbeit. Die Tage vergingen, ab und zu rief Bjørnsson an und wollte ein wenig plaudern. Bjørnsson schien obenauf zu sein. Endlich konnte er zeigen, was er alles draufhatte, jetzt, wo sein Vorgesetzter fort war. Doch Bauer Svarstad hatte nach ihm gefragt. Und laut Bjørnsson mit offenem Mund in der Tür gestanden, als er die lange Geschichte gehört hatte. Er hätte doch nie geglaubt, daß Jomann den Mut aufbringen würde, in ein fremdes Land zu reisen und sich eine Frau zu suchen.
     
    »In einem früheren Gespräch mit einem Kollegen, Jacob Skarre, haben Sie ausgesagt, daß Sie den Abend des 20. August mit Ihrer Freundin Ulla verbracht haben.«
    Sejer sah den wohlwollend lächelnden Gøran Seter an. Die Kratzer im Gesicht waren inzwischen nur noch schmale Streifen.
    »Richtig.«
    »Aber ein Gespräch mit ihr ergibt folgendes Bild: Sie ist nicht mehr Ihre Freundin, und sie hat den Abend nicht mit Ihnen verbracht. Sie waren von sechs bis ungefähr acht Uhr im Studio Adonis. Haben am Ausgang noch etwas getrunken. Danach hat sie die Beziehung beendet. Worauf Sie wütend weggefahren sind, allein im Auto. Und irgendwann zwischen halb neun und neun an Hvitemoen vorbeigekommen.«
    Gøran Seter machte große Augen. Er war ein sehr kräftiger, muskulöser Mann mit blonden Haaren und einigen knallroten Strähnen. Seine Haare standen zu Berge. Seine Augen funkelten. Sejer mußte an Quecksilberperlen denken.
    »Ulla hat also wieder Schluß gemacht?« Gøran Seter lachte resigniert. »Das ist so ihre Art. Sie macht es immer wieder. Ich nehme das nicht mehr ernst.«
    »Es interessiert mich nicht so sehr, ob Sie noch immer eine Beziehung haben. Sie haben behauptet, später an diesem Abend mit ihr zusammen gewesen zu sein, bei ihrer Schwester, aber das stimmt nicht.«
    »Doch. Aber entschuldigen Sie, warum muß ich diese Fragen beantworten?«
    »Wir ermitteln in einem Mordfall. Sehr viele Menschen müssen sehr viele Fragen beantworten. Sie sind, mit anderen Worten, nur einer von vielen. Falls das ein Trost ist.«
    »Ich brauche keinen Trost.«
    Gøran war stark und überzeugend. Und lächelte die ganze Zeit.
    »Ulla ist sehr schusselig«, sagte er.
    »Mein Kollege hatte einen anderen Eindruck.«
    »Er hat doch nur ein paar Minuten mit ihr geredet. Ich kenne sie seit über einem Jahr.«
    »Aha. Sie behaupten also weiterhin, daß Sie den Abend mit ihr verbracht haben?«
    »Ja. Zum Babysitten.«
    »Warum sollte Ulla aber lügen? Einen Polizisten belügen?«
    »Wenn er gut aussah, war das vermutlich Grund genug. Sie versucht es bei allen. Will Eindruck schinden.«
    »Das klingt nicht gerade überzeugend.«
    »Sie haben keine Ahnung, was Mädchen alles versuchen, um sich interessant zu machen. In der Hinsicht kennen sie keine Grenzen. Ulla ist da keine Ausnahme.«
    »Waren Sie auch früher schon mal bei dieser Schwester?«
    »Ja.« Sein Lächeln wurde noch breiter. »Und deshalb kann ich Ihnen Wohnzimmer, Küche und Badezimmer beschreiben. Pech für Sie, was?«
    »Was hatten Sie an, als Sie das Adonis verlassen haben?«
    »Polohemd. Weiß, nehme ich an. Schwarze Levi’s. So bin ich meistens gekleidet.«
    »Nach dem Training haben Sie geduscht?«
    »Natürlich.«
    »Und nachher haben Sie dann trotzdem noch einmal geduscht?«
    Kurze Pause.
    »Was wissen Sie darüber?«
    »Ich habe mit Ihrer Mutter gesprochen. Sie waren um elf zu Hause. Und sind sofort unter die Dusche gegangen.«
    »Dann wird das wohl stimmen.«
    Wieder dieses Lächeln. Keine Angst, keine Sorgen. Der riesige Körper ruhte im Sessel, wie eine Skulptur.
    »Warum?«
    »Hatte wohl Lust.«
    »Ihre Mutter hat auch erzählt, daß Sie an diesem Abend ein blaues T-Shirt und eine graue Trainingshose anhatten.

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