Konsumguerilla - Widerstand gegen Massenkultur
jeweiligen technischen Besonderheiten
und die akribische Beschreibung der eingesetzten oder »gehackten« Technologien (vgl. den Beitrag von Franz Liebl in diesem
Band), lässt den Stil der Straßenkunst etwas in den Hintergrund treten. Dies ist vor allem bei speziellen, der Technikverwendung
gewidmeten Webseiten oder Blogs zu beobachten. Bei Fotos in der öffentlichen Bilddatenbank Flickr, besonders jedoch in den
Videos bei YouTube oder auf den Video-Webseiten |217| ist dies noch nicht so ausgeprägt, und die Nähe zur dokumentierten, lebendigen Aktion mit den daran beteiligten Personen wirkt
stärker als die verwendete und häufig explizit zur Schau gestellte Technik.
Abbildung 8: Laser-Tag im Museum of Modern Art, New York
(Quelle: http://graffitiresearchlab.com/?p=139, 30.05.2008)
Die Technik wirkt aber offenbar dennoch, wenn auch auf eine weitere, bislang nicht berücksichtigte Weise: Über die professionelle
Realisierung, bei der hochwertiges Material anerkannter Markenhersteller für über zehntausend Dollar verwendet werden kann, 12 und die souveräne Kommunikation der Aktionen wie auch Kooperationen mit zahlreichen KünstlerInnen wurde die
Laser-Tag-
Installation auch über die subkulturelle Szene hinaus interessant. Der
Laser-Tag
gelangte ins New Yorker Museum of Modern Art (MoMA) 13 und in die Londoner Tate Gallery of Modern Art (TATE), 14 also in die höchsten Sphären der zeitgenössischen Kunst. Dort pflegen die eingeladenen Graffitiwriter zwar weiterhin ihr
Enfantterrible-Image, etwa |218| durch Auftritte mit vermummten Gesicht oder Aufschriften wie »Fuck this museum«, und kommunizieren ihre Botschaft des »open-source
Weapon of Mass Defacement«, 15 mit dem nun endlich Graffitiwriter ebenso große Flächen beanspruchen und gestalten können wie kommerzielle Werbetreibende,
Konzerne und Regierungen. Das Feld der Street-Art verlagert sich aber damit in die Nähe des etablierten Kunstmarkts, womit
sich seine Qualität wandelt. So stehen auf der Webseite des MoMA nun auch die Namen der Personen hinter dem
Laser-Tag
ganz oben, während auf der GRL-Webseite Evan Roth, James Powderly und Theo Watson kaum auszumachen sind.
Kooperationen mit Unternehmen, die das GRL für Events einladen möchten, wird jedoch kategorisch eine Absage erteilt (vgl.
Powderly/Roth 2008), da die Werbeindustrie und Unternehmen mit der Präsentation ihrer Markennamen ohnehin eine weitgehende
Gestaltungshoheit im öffentlichen Raum und in der visuellen Kultur unserer Gesellschaft haben. Sie sind daher fraglos diejenigen,
gegen die es zu opponieren gilt (auch wenn die Praxis, die angesagten Markenprodukte bei der technischen Umsetzung zu betonen,
dazu im Widerspruch steht). Die als Zumutung empfundene und von Sprayern mit ihrem stark eingeschränkten Aktionsspielraum
als eine Art Freiheitsberaubung gewertete Ungleichbehandlung bei der Flächenzuteilung kann somit als ein zentrales Feld des
GRL gewertet werden. Eine Technologie, mit der ein Stück der Gestaltungshoheit demontiert und übernommen werden könnte, ist
somit auch eine weitere der erstaunlich einfachen Bauanleitungen des GRL: Die hell strahlenden Werbetafeln oder Videodisplays
sollen danach mit lichtundurchlässigen Masken überklebt werden, aus denen zum Beispiel Buchstaben ausgestanzt sind. Statt
der Werbebilder oder Videospots sind dann nur noch die bunt leuchtenden oder abstrakt flimmernden Buchstaben wie etwa GRL
oder der Schriftzug Graffiti sichtbar.
Eine mittelbare, indirekte Kooperation im Zuge der Nutzung der vom GRL entwickelten Techniken ist selbstverständlich nicht
zu vermeiden, da diese explizit nicht patentiert sind und nicht sein sollen. Eine völlige Ablösung vom Markt mit seinen Konsumprodukten
allerdings ist jedoch weder sinnvoll noch möglich. Auch die klassischen Graffitis sind auf Spraydosen angewiesen, die in der
Regel käuflich erworben werden müssen. So stellen Online-Händler nun infolge der Beliebtheit von Lichtgraffiti auch spezielle |219|
throwie-
Webseiten ins Netz, auf denen sie die erforderlichen Teile im Set inklusive Versandkosten vom chinesischen Produktionsort
aus oder auch national anbieten. 16 Denn es geht nicht primär um politisch korrekte, möglichst umfassende Konsumkritik im allgemeinen, sondern vorrangig um die
Ermächtigung Einzelner, den öffentlichen Raum für eigene Interessen und Ambitionen zu beanspruchen und hierfür eigenständig
zu gestalten, sodass auch
Weitere Kostenlose Bücher