Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Konsumguerilla - Widerstand gegen Massenkultur

Konsumguerilla - Widerstand gegen Massenkultur

Titel: Konsumguerilla - Widerstand gegen Massenkultur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Richard , Alexander Ruhl
Vom Netzwerk:
jeweiligen technischen Besonderheiten
     und die akribische Beschreibung der eingesetzten oder »gehackten« Technologien (vgl. den Beitrag von Franz Liebl in diesem
     Band), lässt den Stil der Straßenkunst etwas in den Hintergrund treten. Dies ist vor allem bei speziellen, der Technikverwendung
     gewidmeten Webseiten oder Blogs zu beobachten. Bei Fotos in der öffentlichen Bilddatenbank Flickr, besonders jedoch in den
     Videos bei YouTube oder auf den Video-Webseiten |217| ist dies noch nicht so ausgeprägt, und die Nähe zur dokumentierten, lebendigen Aktion mit den daran beteiligten Personen wirkt
     stärker als die verwendete und häufig explizit zur Schau gestellte Technik.
    Abbildung 8: Laser-Tag im Museum of Modern Art, New York
    (Quelle: http://graffitiresearchlab.com/?p=139, 30.05.2008)
    Die Technik wirkt aber offenbar dennoch, wenn auch auf eine weitere, bislang nicht berücksichtigte Weise: Über die professionelle
     Realisierung, bei der hochwertiges Material anerkannter Markenhersteller für über zehntausend Dollar verwendet werden kann, 12 und die souveräne Kommunikation der Aktionen wie auch Kooperationen mit zahlreichen KünstlerInnen wurde die
Laser-Tag-
Installation auch über die subkulturelle Szene hinaus interessant. Der
Laser-Tag
gelangte ins New Yorker Museum of Modern Art (MoMA) 13 und in die Londoner Tate Gallery of Modern Art (TATE), 14 also in die höchsten Sphären der zeitgenössischen Kunst. Dort pflegen die eingeladenen Graffitiwriter zwar weiterhin ihr
     Enfantterrible-Image, etwa |218| durch Auftritte mit vermummten Gesicht oder Aufschriften wie »Fuck this museum«, und kommunizieren ihre Botschaft des »open-source
     Weapon of Mass Defacement«, 15 mit dem nun endlich Graffitiwriter ebenso große Flächen beanspruchen und gestalten können wie kommerzielle Werbetreibende,
     Konzerne und Regierungen. Das Feld der Street-Art verlagert sich aber damit in die Nähe des etablierten Kunstmarkts, womit
     sich seine Qualität wandelt. So stehen auf der Webseite des MoMA nun auch die Namen der Personen hinter dem
Laser-Tag
ganz oben, während auf der GRL-Webseite Evan Roth, James Powderly und Theo Watson kaum auszumachen sind.
    Kooperationen mit Unternehmen, die das GRL für Events einladen möchten, wird jedoch kategorisch eine Absage erteilt (vgl.
     Powderly/Roth 2008), da die Werbeindustrie und Unternehmen mit der Präsentation ihrer Markennamen ohnehin eine weitgehende
     Gestaltungshoheit im öffentlichen Raum und in der visuellen Kultur unserer Gesellschaft haben. Sie sind daher fraglos diejenigen,
     gegen die es zu opponieren gilt (auch wenn die Praxis, die angesagten Markenprodukte bei der technischen Umsetzung zu betonen,
     dazu im Widerspruch steht). Die als Zumutung empfundene und von Sprayern mit ihrem stark eingeschränkten Aktionsspielraum
     als eine Art Freiheitsberaubung gewertete Ungleichbehandlung bei der Flächenzuteilung kann somit als ein zentrales Feld des
     GRL gewertet werden. Eine Technologie, mit der ein Stück der Gestaltungshoheit demontiert und übernommen werden könnte, ist
     somit auch eine weitere der erstaunlich einfachen Bauanleitungen des GRL: Die hell strahlenden Werbetafeln oder Videodisplays
     sollen danach mit lichtundurchlässigen Masken überklebt werden, aus denen zum Beispiel Buchstaben ausgestanzt sind. Statt
     der Werbebilder oder Videospots sind dann nur noch die bunt leuchtenden oder abstrakt flimmernden Buchstaben wie etwa GRL
     oder der Schriftzug Graffiti sichtbar.
    Eine mittelbare, indirekte Kooperation im Zuge der Nutzung der vom GRL entwickelten Techniken ist selbstverständlich nicht
     zu vermeiden, da diese explizit nicht patentiert sind und nicht sein sollen. Eine völlige Ablösung vom Markt mit seinen Konsumprodukten
     allerdings ist jedoch weder sinnvoll noch möglich. Auch die klassischen Graffitis sind auf Spraydosen angewiesen, die in der
     Regel käuflich erworben werden müssen. So stellen Online-Händler nun infolge der Beliebtheit von Lichtgraffiti auch spezielle |219|
throwie-
Webseiten ins Netz, auf denen sie die erforderlichen Teile im Set inklusive Versandkosten vom chinesischen Produktionsort
     aus oder auch national anbieten. 16 Denn es geht nicht primär um politisch korrekte, möglichst umfassende Konsumkritik im allgemeinen, sondern vorrangig um die
     Ermächtigung Einzelner, den öffentlichen Raum für eigene Interessen und Ambitionen zu beanspruchen und hierfür eigenständig
     zu gestalten, sodass auch

Weitere Kostenlose Bücher