Konsumguerilla - Widerstand gegen Massenkultur
Wandzeichnungen oder auch Aufkleber (Sticker,
Pasteups
) und mit Schablonen (Stencil,
Pochoir
) aufgebrachte Farbe, also
Pieces
allgemein. Es geht vielmehr um Online-Materialien zu daran orientierten Entwicklungen, die als aussagekräftiges Material gewertet
werden, um Haltungen der Streetartkultur zu erkennen und zu differenzieren. Dies könnten beispielsweise Hinweise darauf sein,
dass die Stadt nicht einfach als isolierte Freifläche und primär als Leinwand für die eigenen Farben und Zeichen zu begreifen
ist, sondern Modifikationen idealerweise gezielt orientiert am jeweiligen Raum mit seinen damit ausdrücklich oder implizit
verbundenen Bedeutungen sein sollten. Diese Besonderheiten sollten aufgegriffen und fantasievoll oder kritisch thematisiert
beziehungsweise gewendet werden (Abbildung 1, vgl. auch Schmidt 2005 und Powderly/Roth 2008). Daher finden sich unter den
Markierungen und Aktionen solche mit politischem Charakter, die scherzhaft, ironisch, subtil oder direkt auf Probleme oder
mit ihnen verbundene Hintergedanken verweisen, Selbstverständlichkeiten und Routinen irritieren und hinterfragen. Streetart
»setzt Akzente und schafft Kontraste im öffentlichen Raum« (Eggers/ Schildwächter 2007: 5), motiviert von der Idee der Gestaltung
des |209| Lebensraums jenseits der überall dominanten Elemente in Form von Werbetafeln, (Verbots-)Schildern oder ordentlichen beziehungsweise
prunkvollen Fassaden und infrastrukturellen Einrichtungen.
Hinzu dürfte die Vorstellung eines autonomeren Lebens kommen, das sich nicht ausschließlich in Erwerbsarbeit, der für die
Arbeitsfähigkeit nötigen Ruhepausen und dem Konsum der vom Markt vorgegebenen Angebote erschöpft, da der öffentliche Raum
nicht nur als Bühne für die Zeichensetzung, sondern ebenso als Bereich für spontane Aktionen oder Feiern begriffen und beansprucht
wird. 3
Abbildung 1: Individuell präzisiertes Verkehrsschild
(Quelle: Eggers/Schildwächter 2007, 170)
Ein häufiges Problem bei öffentlichen Interventionen ist die fehlende Erlaubnis, diese zu praktizieren. Dieses Thema dürfte
gleichwohl einen besonderen Reiz ausmachen und wird daher offensiv gehandhabt, etwa mit Bemerkungen wie »Advice […] It’s always
easier to get forgiveness than permission« (Banksy 2006: 237), die zum Ausdruck bringen, dass Vorhaben üblicherweise von vornherein
zum Scheitern verurteilt sind, würde man darauf bestehen, sie nur nach vorheriger und amtlicher Genehmigung durchzuführen.
Die Popularität von Aufklebern beispielsweise, die sich als eigenständiger Bereich der Graffitiszene etabliert haben, kann
bereits als eine |210| Reaktion darauf gesehen werden, da deren UrheberInnen nicht für Sachbeschädigung, sondern gegebenenfalls nur für eine Ordnungswidrigkeit
belangt werden können. Die Tatsache, dass eine solche Modifikation des öffentlichen Raums relativ leicht rückgängig gemacht
werden kann, verhilft dieser Variation, zumal bei unbeteiligten Personen, zu einer größeren Akzeptanz, indem sie seltener
als purer Vandalismus angesehen wird.
Abbildung 2: Unzulässig umgestaltetes Stellwerk als urbane Landmarke
(Quelle: Foto von Trenton Oldfield, http://www.flickr.com/photos/osazone/1318405225, 30.05.2008)
Aber auch die souveräne Kommunikation von Aktionen in der Öffentlichkeit und deren schlüssige Darstellung etwa als bedeutender
Teil einer Veranstaltung können Aktivitäten rechtfertigen, die üblicherweise wohl als Sachbeschädigung und Hausfriedensbruch
verfolgt würden. So etwa bei der nächtlichen Umgestaltung eines stillgelegten Stellwerks über den Schienen einer Industriebrache
in ein idyllisches Ferienhaus, wie man es mit den danach dort vorhandenen Blumen und Gartenmöbeln in einer unberührten Landschaft,
in freier, weiter Natur erwarten würde. 4 Sie wurde im Rahmen eines Festivals verortet und durch eine Pressekonferenz bei Tagesanbruch begleitet. Sie führte mehrfach
zu positiver Berichterstattung in Presse und TV, worauf die Eigentümer des umzäunten Grundstücks, die die Erlaubnis |211| hierzu explizit nicht erteilt hatten, keine Schritte gegen die AktivistInnen unternahmen (vgl. osa 2007).
Abbildung 3: Lichtgraffiti mit dem Laser-Tag
(Quelle: http://www.flickr.com/photos/urban_data/396086084, 30.05.2008)
Akzeptanz mittels öffentlich geäußerter Sympathien und möglichst prominent vertretenem Zuspruch zu steigern und so die Grenzen
des Machbaren zu verschieben, gelingt
Weitere Kostenlose Bücher