Konsumguerilla - Widerstand gegen Massenkultur
Fernsehsendung, die das amerikanische Vorbild für das Format
Deutschland sucht
den Superstar
ist, in welchem Teenager als Sänger kandidieren, vor einer Expertenjury auftreten und sich öffentlich bewerten lassen. Als
Vorbereitung für ihren Auftritt bei
American Idol
initiierte Olson einen Blog, ein Online-Tagebuch, in dem sie über ihre Sehnsüchte und Ängste reflektierte und zahlreiche Ratschläge
und Ermutigungen von einem globalen Netzpublikum erhielt (Abbildung 4). Die Tipps ihrer Leser reichten von Vorschlägen für
die Wahl ihrer Kleidung beim Songcontest bis zur Auswahl der Songs, die sie vortragen sollte.
Schon der Titel des Onlineprojekts,
American Idol Audition Training Blog
(2004), stellte sicher, dass ihre Seite bei Suchanfragen zu
American Idol
ganz oben im Ranking der Suchmaschinen auftauchte. Der Blog dokumentierte die Stadien ihrer Bewerbung. Olson kam zwar nicht
ins Finale, wurde aber zum Vorsingen eingeladen. In ihrem Video
The One That Got Away
(Abbildung 5) hat sie die dort gemachten Erfahrungen detailgetreu nachinszeniert |256| . Bewusst setzt sie Versatzstücke aus den Fernsehsendungen ein (Abbildung 6), um die eigenen Erlebnisse nachzustellen und
macht dabei auf ironische und amüsante Weise deutlich, wie austauschbar die Kommentare der Jury letztendlich sind. Auf das
Copyright am eigenen Bild, welches ihr der Sender vorenthält, reagiert sie mit einer Do it yourself-Strategie, wobei sie digitale
Techniken des Sampling und der Wiederverwertung bereits bestehenden Materials geschickt für ihre Zwecke nutzt. Das in der
Sendung viel beschworene »Du kannst ein Star sein« setzt sie in ihren Aneignungsstrategien selbstbewusst in die Realität um.
Abbildung 5: Marisa Olson, American Idol Audition Training Blog, 2004
(Quelle: Netzprojekt, Screenshot)
Media-Hacks
Die Künstlergruppe ubermorgen.com, die 1999 von Hans Bernhard und Lizvlx gegründet wurde, thematisiert die zunehmende Einschränkung
von frei verfügbaren Daten und freiem Zugang zu Wissen und Informationen im Internet. Dabei befassen sie sich vor allem mit
den Themen Sicherheit, Privatsphäre und Reproduktionsrecht.
»Wir sprechen gern vom media hacking – damit ist ganz spezifisch gemeint: das Eindringen in massenmediale Kanäle mittels Niedrigtechnologie,
mittels Technologie, die jedem zur Verfügung steht, wie etwa E-Mail und Web, Mobiltelefone, GPS-Geräte und so weiter. Und
damit loten wir die Grenzen der Legalität aus. Wir prüfen vorher, ob es Gesetze gibt, die unser Vorhaben verbieten. Falls
ja, kann man manchmal Gesetze übertreten, wenn man das vor sich selber verantworten |257| kann. Gesetze müssen manchmal auch ›angegangen‹ werden, weil das Recht keine fixe Sache ist, sondern sich ändert, wenn sich
Gesellschaft und Technologie ändern. Die ›Freiheit der Kunst‹ ist bei uns ein sehr hoch angesiedeltes Gut, genauso wie die
Redefreiheit in den USA: Und da kann man andere Gesetze auch darunter ansiedeln, das ist eine Möglichkeit der Rechtfertigung
juristischer
twilight-zones
. Wenn uns dieses Eindringen in die Massenmedien gelingt, dann erreichen wir riesengroße Verbreitung und Frequenz. Das wäre
also der Media Hack.« (Bernhard, Gespräch, in:
Telepolis
, 22.11.2006)
Abbildung 6: Screenshot aus: Marisa Olson, The One That Got Away, 2004
(Quelle: Video, Still)
Ihr Projekt
Amazon Noir. The Big Book Crime
, welches als Gemeinschaftsprojekt zusammen mit den beiden italienischen Netzaktivisten Alessandro Ludovico und Paolo Cirio
entstand, ist das Resultat eines Hacker-Angriffs auf den Buchhändler Amazon.com, und zwar auf dessen Funktion »Search Inside
the Book«, die es den Kunden erlaubt, das Inhaltsverzeichnis und die Einleitung eines Buches zu lesen. ubermorgen.com entwickelte
eine Software, die es einem Internet-Nutzer erlaubte, den gesamten Inhalt eines Buches aus dem Netz zu laden. Die unbeabsichtigte
Freigabe des gesamten Textes basierte auf unzähligen Anfragen, die Software-Bots an die Datenbank des Online-Buchhändlers
schickten. Auf diese Weise lud ubermorgen.com mehrere Bücher aus dem Netz, unter anderem das Buch
Steal This Book
von Amy Hoffman, die sie dann wiederum über Peer-2-Peer-Netzwerke kostenlos im Netz verbreiteten. Verpackt war die Aktion
in einen Krimiplot der vierziger Jahre, ganz im Stil des klassischen Film Noir, der auch Namensgeber für das Projekt war.
Die Inszenierung als Gangsterdrama schuf eine neue Dimension für die
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