Konsumguerilla - Widerstand gegen Massenkultur
Dienste die Alternative
DIY/WDI
(
Do It Yourself
versus
We
Do It For You
). Und die Titel verschiedener
IKHÉA©SERVICES
lauten etwa so imaginativ wie die Vornamen von Ikea-Möbeln: die Messie-Performance »
Stuf:
Nature doesn’t like empty spaces« oder »
Fallt:
Bug your living space!«, ein Workshop mit dem Ziel, einen Haushalt durch Fehler(meldungen) funktionsunfähig zu machen. Bei
den guten Ratschlägen an den Kunden, die einem weder Ikea noch IKHÉA ersparen, tut sich indes eine Kluft zwischen beiden Unternehmen
auf: Während im Ikea-Katalog dem geduzten Kunden kumpelhaft das geschäftsmodell-konforme Verhalten als Optimum ans Herz gelegt
wird (zum Beispiel »20 Minuten Arbeit, 20 Jahre Wohlfühlen«; »Wir sparen dies. Du sparst das.«), verspricht IKHÉA seinen Nutzern
ein verbessertes Produkterlebnis durch »produktive Anomalien« als Ausdruck von widerspenstiger Mitarbeit beziehungsweise Partizipation
– die in einer Innovation resultiert. Ganz im Sinne einer paradoxen Hacking-Logik heißt es:
»It goes without saying that the client’s best guarantee of a truly singular experience is subverting the rule of the service
to perform (or to have performed). Cancelling the power to cancel, disobeying the call to disobey, conceiving a work in view
of its future upgrading are all examples of productive anomalies which result from bending the rules.« (Farkas 2004: 59)
Implikationen für die Produktentwicklung
Unter dem Aufruf »Guerilla jetzt!« spricht Borka (2007) davon, dass nur noch Subversion und Viralität als einzig angemessene
und nützliche Strategien anzusehen seien, um dem Design seine Innovationskraft zu erhalten. Es gibt Indizien dafür, dass dies
keine anekdotische Einzelposition darstellt; dennoch zeigen die Beispiele rund um die Produkte und das Geschäftsmodell von
Ikea, dass die Schlussfolgerung kein banales Kochrezept des Typs »Sei subversiv!« sein kann, sondern es konsequent durchdachter,
strategischer Konzepte bedarf, die an vielen Parametern gleichzeitig ansetzen (Porter 1996). Dabei gilt offenbar mehr denn
je das, was bereits von Dunne/Raby (1998) festgestellt wurde: »abuser friendliness« wird zum Erfolgsfaktor und zum Leitgedanken
der Angebotsgestaltung. Erste Anbieter der Elektronikindustrie scheinen dies begriffen zu haben, wenn sie nunmehr |52| »offene, hackbare Gadgets« (Göldi 2008) als neues Gerätegenre auf den Markt bringen. Und Ikea präsentiert – wenngleich die
Hacker-Blogs vom Möbelkonzern skeptisch beäugt werden (Lischka 2007) – in der Frühjahrskollektion 2008 einen neuen Beistelltisch
aus PET namens
Bölsö
, welcher der
customization
konsequent Vorschub leistet. Die Pariser Tageszeitung
Libération
, die häufig über
détournements
berichtet, erläutert dies wie folgt: »[…] on visse les trois pieds transparents au plateau de la table. Creux, ils encouragent
la créativité personelle puisqu’on peut y glisser ›
sable, galets, pétales de fleurs
‹. Ce qu’on veut, quoi.« 3 (Tissier 2008: 29) Wir sehen: Hacken und Hackenlassen sind dann zwei Seiten derselben Medaille.
Literatur
Berger, Shoshana/Hawthorne, Grace (2005),
ReadyMade: How To Make {Almost}
Everything – A Do-It-Yourself Primer
, London.
Borka, Max (2007), »Guerrilla Now!«, in: DMY Berlin/Joerg Suermann (Hg.),
DMY Internationale Designausstellung 2007
, Berlin, S. 4–5.
Bovier, Lionel (2007), »Mathieu Mercier«, in: Fabrice Hergott (Hg.),
Mathieu Mercier
: Sans titres
, 1993–2007, Paris, S. 31–36.
Brandes, Uta/Erlhoff, Michael (2006),
Non Intentional Design
, Köln.
— /Miriam Steffen/Sonja Stich (2000), »NID – Nicht Intentionales Design«, in: Gisela Ecker/Susanne Scholz (Hg.),
UmOrdnungen der Dinge
, Königstein/Ts., S. 115–131.
Certeau, Michel de (1980),
L’invention du quotidien: 1. arts de faire
, Paris (deutsch: Kunst des Handelns, Berlin 1988).
Dorschel, Andreas (2002),
Gestaltung – Zur Ästhetik des Brauchbaren
, Heidelberg.
Düllo, Thomas (2000), »Ikeaisierung der Wohnwelt: Wie uns ein Wohnkonzept zu Dauerjugendlichen macht«, in: Jan Carstensen/Thomas
Düllo/Claudia Richartz-Sasse (Hg.),
ZimmerWelten: Wie junge Menschen heute wohnen
, Essen, S. 92–99.
— (2005), »Coolness: Beharrlichkeit und Umcodierung einer erfolgreichen Mentalitätsstrategie«, in: Thomas Düllo/Franz Liebl
(Hg.),
Cultural Hacking: Kunst des
Strategischen Handelns
, Wien/New York, S. 47–72.
— (2006), »Unternehmen+Märkte: Ikea:
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