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Konsumguerilla - Widerstand gegen Massenkultur

Konsumguerilla - Widerstand gegen Massenkultur

Titel: Konsumguerilla - Widerstand gegen Massenkultur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Richard , Alexander Ruhl
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des
Kommunistischen Manifests
wird in der Verschiebung des Zitats als veraltete Ideologie vorgeführt und der »Wertverzicht« der modernen westlichen Gesellschaft
     als permissive Freiheit interpretiert. Für Bolz stellt der Konsumismus »das Immunsystem der Weltgesellschaft gegen den Virus
     der fanatischen Religionen« dar (ebd.: Umschlagtext). Gleichzeitig macht Bolz einen »konsumistischen Virus« aus, der andere
     Kulturen auf dem Schleichweg der lustvollen Konsumption mit westlichen Werten »infiziert« (ebd.: 15). Die offensichtliche
     Metaphorik des Viralen verweist auf Ansätze, die sich taktisch und unauffällig verhalten und damit Guerilla-Prinzipien im
     Rahmen von Marketingstrategien ansprechen.
    Andere Theoretiker wie Boris Groys möchten eine Kritik an den umfassend seligmachenden konsumistischen Maßnahmen nicht völlig
     aufgeben. Sie fordern die Intelligenz bisheriger ideologiekritischer Ansätze auf der Metaebene eines emanzipatorischen Konsumverhaltens
     heraus: »Der Künstler von heute erweist sich also nicht nur als ein einfacher Konsument, sondern als ein Konsument des Konsums
     – und somit auch als Autor |71| neuer Arten des kritischen Konsumverhaltens« (Groys 2003: 58). »Kritisches Konsumverhalten« ließe sich als die Erweiterung
     von Michel de Certeaus
Kunst des Handelns
(1988) ansprechen, demzufolge sich der Verbraucher die Konsum-Objekte durch »eigene Handlungen« wie strategische Umdeutung
     oder Missbrauch aneignet (ebd.: 79f.).
    Die Oppositionschemata von Kunst und Konsum wurden spätestens mit den Themen der Pop Art in ihrer Simplizität entlarvt. Arbeiten
     von Jeff Koons oder Sylvie Fleury haben schon früh die Grenzen zwischen Kunst- und Konsumobjekten durchlässig gemacht. Das
     Thema Shopping erfuhr zudem mit dem neuen Jahrtausend eine Renaissance. In einer theoretischen und faktischen Bestandsaufnahme
     der Harvard Design School erklärte Rem Koolhaas Shopping zum Zentrum einer Problematisierung der urbanen Situation. 3 Zeitlich parallel erfolgte die Musealisierung der Kaufleidenschaft: Im Lichte des Shoppings wurden auch die systemkritischen
     Arbeiten von Barbara Kruger in einer Shopping-Ausstellung in der Frankfurter Schirn (2002) neu kontextualisiert. Krugers kraftvoll
     ironisches Statement »I shop therefore I am« aus dem Jahr 1987 machte 15 Jahre später einer sanften Kooperation mit der Frankfurter
     Galeria Kaufhof Platz. Die Fassadeninstallation des Kaufhauses zeigte auf 2.200 Quadratmetern Fläche ein Augenpaar, dass Einkaufsbummler
     mit dem Schriftzug »Das bist Du, das ist neu, das ist nichts, das ist alles. Du willst es, Du kaufst es, Du vergisst es.«
     konfrontierte
.
Im Geschäft konnte man auf Anfrage Einkaufstüten mit dem Logo der Ausstellung erhalten. Dem Antwerpener Modemacher Walter
     van Beirendonck, der in den späten neunziger Jahren den Begriff des Terroristen auf das Protestpotenzial der Streetwear heruntergebrochen
     hatte, gelang es im Jahr 2000, seine Verkaufsausstellung
Exorcism/Aesthetic
Terrorism
in das Boijmans van Beuningen-Museum in Rotterdam zu integrieren. Der Rahmen des White Cube endete, nachdem man den strengen
     Blick des Museumswärters hinter sich gelassen hatte, an den Rezeptionsbedingungen einer zeitgemäßen, minimalistischen Boutique:
     Suchen, Anprobieren, Kaufen waren die Akte, zu dem das Setting ermunterte. Van Beirendoncks Winterkollektion 2006/2007 nahm
     mit dem Slogan
Stop Terrorizing our World
allerdings Abschied vom verbalen Terrorchic.
    Die Verschränkungen zwischen Kunst, Konsum und Kritik sind enger und konformer geworden und subversives Gedankengut lässt
     sich nicht zwangsläufig hinter jedem Zusammengehen ausmachen. In Zeiten kooperativer |72| Umarmungen auf beiden Seiten äußert sich widerstandsfähiges Denken oft in der Nähe des Gegners. Es nutzt dessen Infrastruktur
     und Produktionsbedingungen und verfolgt aus der Position des uneingeladenen Gastes heraus eine subversive Strategie, die sich
     in Anlehnung an Michel Serres
parasitär
verhält:
    »Der Parasit ist ein Erreger. Weit davon entfernt, ein System in seiner Natur, seiner Form, seinen Elementen, Relationen und
     Wegen zu verwandeln […], bringt er es dazu, seinen Zustand in kleinen Schritten zu verändern. Er bringt ein Gefälle hinein.
     Er bringt das Gleichgewicht oder die Energieverteilung des Systems zum Fluktuieren. Er dopt es. Er irritiert es. Er entzündet
     es. […] Er verändert den Zustand des Systems, seinen energetischen

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