Konsumguerilla - Widerstand gegen Massenkultur
Namen
Prosumer
hört.
Aber was steckt eigentlich hinter diesem Trend? Handelt es sich hier tatsächlich um eine Entwicklung, deren Fluchtlinien früher
oder später in der Aufhebung althergebrachter Produktions- und Konsumptionsmechanismen münden werden? Oder ist die neue Do-It-Yourself-Kultur
selbst nichts anderes als ein Produkt, das Märkte schaffen beziehungsweise besetzen soll? Ist der Prosumer lediglich ein dem
Zeitgeist geschuldetes Phantom, das durch von Agenturen und Akademikern gleichermaßen genährte Diskursnebel geistert? Oder
sind Prosumer die Protagonisten einer Realität gewordenen Utopie, in der althergebrachte Oppositionen wie diejenige zwischen
aktiven ProduzentInnen und passiven KonsumentInnen der Vergangenheit angehören? Welche Rolle spielen aktuellere Entwicklungen
in den Medientechnologien, die den NutzerInnen weitreichende Möglichkeiten zur Mitgestaltung bieten – und inwieweit wird an
historische Amateur und DIY-Kulturen angeknüpft? Wie positionieren sich jene, die als Prosumer |98| bezeichnet werden, selbst in diesem Zusammenhang und welche Bedeutung kommt ihnen im Bereich der Kulturproduktion zu? Schließlich:
Inwiefern lassen sich Prosumer mit einer
Konsumguerilla
assoziieren? Und was hat das Ganze – wenn überhaupt – mit Kunst zu tun?
Diesen Fragen möchte ich im Folgenden fokussiert auf ein Feld nachgehen, in dem eine Reihe der einleitend aufgenommenen Fäden
auf exemplarische Weise zusammenlaufen: Webbasierte beziehungsweise zu Teilen im World Wide Web verankerte und/oder von Weblogs
(kurz: Blogs) begleitete Projekte, die sich im Spannungsfeld von DIY- und Konsumkultur, »Prosumer Culture«, Aktivismus und
Kunst bewegen.
Mach Dich Selbst!
In einer Gesellschaft, in der man – den entsprechenden Geldbeutel vorausgesetzt – alles, oder doch wenigstens so gut wie alles,
kaufen kann und die sozialen Status nicht unwesentlich über Besitz definiert, nimmt Selbermachen (noch gerade) zwangsläufig
einen Sonderstatus ein. Was sich bereits für die traditionelle Heimwerkerei (vgl. Honer 1993) vermerken lässt, gilt auf dieser
grundsätzlichen Ebene auch generell für DIY: Wer etwas selbst macht, will es anders machen als die anderen. Und aus welchen
Gründen auch immer dieser Weg gewählt wird, erscheint er doch zunächst einmal als Alternative zum Kauf des entsprechenden
Produkts – wenn es dieses denn überhaupt irgendwo zu kaufen gibt. Die Motive können dabei durchaus unterschiedlich sein: Sei
es eine ästhetische oder funktionale Unzufriedenheit an dem, was auf dem Markt verfügbar beziehungsweise käuflich zu erwerben
ist; die Lust am handwerklichen und/oder kreativen Tun, dem Einsatz und/oder der Entwicklung eigener Fähigkeiten, an der Herausforderung;
die Ökonomie. Nahezu immer aber ist davon auszugehen, dass Selbermachen das Selbstwertgefühl hebt. Selbst wenn ein Projekt
misslingt, lassen sich doch immerhin Erfahrungen auf der Haben-Seite verbuchen.
Alles dies suggerieren jedenfalls auch diejenigen, die in jüngerer Zeit DIY als Markt für sich entdeckt haben. Aus der Alternative
ist nämlich ein veritabler Trend geworden, der just in jenen Ländern, die ihren Wohlstand durch Kaufkraft definieren, breiter
zu greifen scheint als je zuvor. Dabei hat weder das Image des verschrobenen Bastlers noch dasjenige des fleißigen |99| Heimwerkers, noch auch jenes der kreativen und gegebenenfalls sogar subversiven Selbsttätigkeit ausgedient – vielmehr können
sie alle im Zuge ihrer Popularisierung auf gesellschaftliche Aufwertung optieren.
Wie in einem Bilderbuch führen dies die Werbekampagnen vor, mit denen neuerdings selbst biedere Baumarktketten ihr Image trendkonform
aufpolieren. Während OBI seinem klassischen Claim eine popkulturelle Rosskur mittels
Queen-
Chorus verpasst, in dessen »We are the Champions« nun auch Heimwerker aller Couleur mit einstimmen dürfen, 1 setzt man bei Hornbach noch eins drauf. Hier heißt es: Wir sind für alle da, die sich mit ihren Projekten selbst verwirklichen
wollen.
Und dieses »Alle« wird demonstrativ ausbuchstabiert. Nachdem man 2002 mit einer an Wahlkampf-Parolen angelehnten Plakatkampagne
zunächst die traditionelle Preiswerbung (»Mehr Netto«) auf Vordermann gebracht hatte, 2 wurden in den folgenden Kampagnen nicht nur Design und Sprache trendgerecht verjüngt, 3 sondern die Zielgruppe ebenso, zeitgemäß wie soziografisch naheliegend, um »women at work« erweitert. 4
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