Konsumguerilla - Widerstand gegen Massenkultur
Mittlerweile sind vom skurrilen Nerd über die fernöstlich angehauchte Feng Shui-Anhängerin, das schwule Pärchen, den »Eingebürgerten« 5 und den »Anhänger einer anderen Glaubensgemeinschaft« bis hin zum »dem Dicken«, 6 »der Alten« 7 und »dem Behinderten« 8 Klischees so gut wie jeder gemeinhin als »Randgruppe« firmierenden gesellschaftlichen Formation vertreten.
In Zeiten, in denen es die Märkte mit einem »Mainstream der Minderheiten« (in Anlehnung an Holert/Terkessidis 1996) zu tun
bekommen und in denen es einer »Multitude« nach individueller Selbstbetätigung und -bestätigung verlangt, ein bezeichnender
Dreh – gerade, wenn es am Ende doch nur Wandfarbe, Akku-Schrauber oder schlicht die Gartenschere für die akkurate Rabattenrandpflege
sind, für die sich die prospektiven Kunden begeistern sollen. Gleiches gilt für die übergreifende Botschaft, die natürlich |100| ebenfalls als Werbe-Claim firmiert: »Mach’s wie Du willst! Aber mach’s!« ruft die Kampagne, deren Protagonist in seinem Wohnzimmer
halb nackt eine ekstatische Body-Action Painting Performance vollführt – um schließlich eine eigentlich wenig originelle,
akkurat ausgeführte Wanddekoration zu präsentieren. 9
Wie beruhigend, dass selbst die wildesten Exzesse in bürgerlicher Befriedung enden – und wie praktisch, dass man alles, was
man für sein Selbstverwirklichungsprojekt braucht, im entsprechend beworbenen Heimwerkerbedarf kaufen kann! Aber es ist doch
kein Zufall, dass das klassischen Heimwerker-Image nunmehr mit dem Glamour von DIY-Revolutionen aufgeladen wird, wie sie sich
Subkulturen von der »Flower Power« bis zur Punk-Generation auf die Fahnen geschrieben hatten, denen Selbermachen als Alternative
zur dominanten Konsumkultur beziehungsweise den Konsumzwängen der kapitalistischen bürgerlichen Gesellschaft galt (vgl. zu
DIY und bzw. in Subkulturen McKay 1998, Dirke 1997: 143–182, Spencer 2005). Tatsächlich scheint Hornbachs »Mach’s wie Du willst!
Aber mach’s!« nicht nur an das das »Just Do It!«, anzuschließen, mit dem der Sportmode-Konzern Nike bereits in den neunziger
Jahren warb (Katz 1994) 10 , sondern auch den Geist des »Do What Thou Wilt« zu berufen, mit dem der von den Achtundsechzigern wiederentdeckte Okkultist
Aleister Crowley seinerzeit den gesellschaftlichen Normen eine Absage erteilte. In der »Flower Power«-Generation wurden Crowleys
Schriften breit rezipiert und erfuhren diverse Neuauflagen. (vgl. Crowley 1969.)
Zwar handelt es sich hier lediglich um ein ambitioniertes Marketing-Hybrid aus Imagekampagne und Produktwerbung. Gleichwohl
sind die Kampagne und ihr Claim ebenso charakteristisch für die aktuelle Gemengelage wie die Tatsache, dass der TV-Spot nicht
nur im Fernsehen ausgestrahlt, sondern zudem auf der Heimseite von Hornbach als Web-Clip zum Herunterladen angeboten wird
– zusammen mit anderen Kampagnen, pdf-Heften mit Heimwerker-Tipps und einer kleinen Auswahl an T-Shirts und Kappen, die ebenfalls
mehr mit Merchandising als mit jenen Kleidungsstücken zu tun haben, die ursprünglich in solchen Märkten zum Sortiment |101| gehörten. Es gibt eine »Handy-Zone« mit Logos und Klingeltönen, Radio-Podcasts, einen Newsletter und selbstverständlich ein
Webforum, in dem sich die Community austauschen kann. Dort auf die neue Generation der
Konsumguerilla
zu stoßen, wird man kaum erwarten. Aber vielleicht kauft sie ja tatsächlich bei Hornbach ein?
DIY-Revolution 2.0
»… oder bei Obi« 11 , wo natürlich ebenfalls eine Heimseite mit heißen Heimwerker-Werbeclips zum Herunterladen wartet? Wenngleich das propagierte
Image einer imaginären Gemeinschaft individueller DIY-Rebellen unterschiedlichster Couleur erst einmal wenig über das tatsächliche
Selbstverständnis real existierender Baumarkt-Kunden aussagt, sieht es dennoch ganz danach aus, als sei ersteres direkt dem
»wirklichen Leben« abgeschaut. Mit dem World Wide Web gibt es nämlich tatsächlich eben jenen Ort, an dem sie alle wortwörtlich
Seite an Seite anzutreffen sind, die Heimwerker alten Schlags ebenso wie die verschrobenen Tüftler, der »Häuslebauer« und
die »Woman at Work«, die es lieber selbst macht, der Punk und die Feng Shui-Anhängerin. Schaut man sich hier zum Stichwort
DIY um, stößt man auf ein denkbar breites und diverses Spektrum von Online-Präsenzen, das von persönlichen Homepages einzelner
Bastel-Enthusiasten über alternative
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