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Konsumguerilla - Widerstand gegen Massenkultur

Konsumguerilla - Widerstand gegen Massenkultur

Titel: Konsumguerilla - Widerstand gegen Massenkultur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Richard , Alexander Ruhl
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männlichen Zuschauer dadurch ausgelöst, dass es der weiblichen Darstellerin an einem Penis mangele, so Mulvey.
     Das männliche Unbewusste hat in ihrer Lesart der Psychoanalyse nun zwei Auswege aus der Kastrationsangst: Erstens der voyeuristische
     Weg, der die Frau beobachtet, ihr Mysterium enträtselt und sie schließlich bestraft; das Vergnügen liegt in der Schuldzuweisung
     und ist dadurch mit dem Sadismus verknüpft (Mulvey 1989: 21f.). Dieser Weg soll im Folgenden als der Ansatz |146| des
voyeuristischen Sadismus
bezeichnet werden. Zweitens die
fetischisierende
Skopophilie
4 , bei der die weibliche Darstellerin durch komplette Verdrängung der Kastration in einen Fetisch verwandelt wird.
    Die asymmetrische Gerichtetheit des Blicks vom Mann auf die Frau basiert bei Mulvey auf dem aus der Frühzeit der Psychoanalyse
     stammenden Terminus der Kastrationsangst. Freud entwickelte seine Theorie, auf die Mulvey sich ja wesentlich stützt, aus dem
     Ödipuskomplex. Von Anfang an stand diese Theorie, dessen essentielles Ergebnis auch der Penisneid war, in starker Kritik (vgl.
     Horney 1923, Olivier 1980, Benjamin 1988, Chodorow 1996). Die Kastrationsangst gilt jedoch bereits seit fast einem Jahrhundert
     in der Wissenschaft nicht mehr als eine genuin männliche Angst (vgl. auch Reiche 1990: 33). Gegen die Kastrationsangst als
     rein männliche Erfahrung spricht zum Beispiel der Lacansche Begriff der »Symbolischen Kastration« (Lacan 1966; vgl. auch Rohde-Dachser
     2007), von dem alle Menschen, Männer ebenso wie Frauen, betroffen sind. Konkreter führt Wolfgang Mertens aus, dass sich eine
     Kastrationsangst auch beim weiblichen Geschlecht findet, das die Zerstörung, Verletzung oder Beraubung seiner genitalen Öffnung
     fürchtet (vgl. Mertens/Waldvogel 2000: 545f.; Mertens 1992: 139). Auch Mayer ist der Ansicht, dass das Mädchen vielmehr unter
     der Angst leidet, ihre Öffnung und die Gebärfähigkeit als kreativen inneren Raum zu verlieren (2000). Dadurch, dass die Kastrationsangst
     des Mannes, wie Mulvey sie formuliert hat, in der heutigen Psychoanalyse eine nicht mehr genuin männliche Erfahrung darstellt,
     kann auch ihre Theorie der Asymmetrie des »Gaze« nicht mehr als Basis für ihre Theorie herhalten, auch wenn ihre Beobachtung
     der Blickhierarchie, bezogen auf das frühe Hollywood-Kino, sicherlich ihre Berechtigung hat.
    Mulvey ist bis heute nicht die einzige geblieben, die sich innerhalb des filmischen Genderdiskurses mit dem Gaze beschäftigt
     hat. Bereits E. Ann |147| Kaplan fragte in ihrem gleichnamigen Aufsatz von 1983: »Is the gaze male?« und zeigte bereits die Möglichkeit eines
Female Gaze
– einem von der Frau auf den Mann gerichteten voyeuristischen Blick – für das Medium des Kinos auf. Kaplan folgend kann es
     jedoch nur einen
Female Gaze
geben, wenn die Frau eine maskuline Rolle einnimmt und all ihre traditionell weiblichen Charakteristika ablegt (2000: 128f.).
     Auch Kaja Silverman (1980) setzt sich dafür ein, dass sowohl männliche als auch weibliche Subjekte Träger des
Gaze
sein können, denn der Mann sei nicht immer das kontrollierende Subjekt, ebenso die Frau nicht immer das passive Objekt. Schließlich
     argumentiert Teresa de Lauretis, dass die weibliche Zuschauerin, unabhängig vom Geschlecht der Figuren, nicht zwangsläufig
     eine männliche Rezipienten-Position einnehmen muss, vielmehr immer in eine Doppel-Identifikation mit aktiven und passiven
     Subjektpositionen involviert sei (1984: 67, 69, 79). 5
    Die voyeuristische Separation, auf ein Medium zu schauen, ohne dass dessen Protagonisten zurückschauen, die Mulvey für das
     Kino beschreibt, kann auch für den Privatraum, für das Medium des Fernsehens Anwendung finden. 6 Die TV-Soap als genrespezifisches TV-Format, unterscheidet sich vom Kinofilm durch ihre serielle Form und durch die strengeren
     Mechanismen der Zensur, denen sie zum Beispiel durch Ausstrahlung im Nachmittagsprogramm unterliegt. Wenn es um die Darstellung
     eines nackten Körpers und damit um dessen Status als Sexualobjekt geht, so besteht zumindest im altersbeschränkten Kino die
     Möglichkeit, das männliche Geschlechtsorgan abzubilden (vgl. dazu auch Lehmann 2001). Für die amerikanische Fernsehserie gelten
     diesbezüglich ganz andere Maßstäbe: totale männliche und explizite Nacktheit sind hier undenkbar. Somit steht die wiederholte
     partielle männliche Nacktheit, die hier an zwei blickspezifischen Beispielen auch nur teilweise hervorgehoben

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