Konsumguerilla - Widerstand gegen Massenkultur
Geschlechterrollen und Sexualität fundamental zu ändern begannen. Diesen Veränderungen ist auch die Herausbildung lesbischwuler
Communities geschuldet (vgl. D’Emilio 1983). Tatsächlich waren jene Orte, an denen sich eine lesbischwule »Gegenkultur« und
Community herausbildete, häufig »sites of consumption«, an denen mit Entertainment, Dienstleistungen und Gütern gehandelt
wurde, also etwa Bars oder Cafés (Maskovsky 2002). Im Gegensatz zu klassischen konsumistischen Subkulturen haben lesbischwule
Subkulturen jedoch eine reiche und weit zurückreichende mündliche und schriftliche Geschichte (vgl. Kates 2002: 383). So gab
und gibt es auch immer die Aneignung von öffentlichem Raum, teilweise auch in bewusster Abgrenzung zu Konsumlogiken. Zu nennen
sind hier sicherlich diverse Straßenparaden, etwa der Christopher Street Day, die von Gay Marketing-ExpertInnen als »eindeutiges
Zeichen für die Offenheit gegenüber und Akzeptanz von Schwulen |159| und Lesben in der Gesellschaft« gesehen werden (Stuber/Iltgen 2002: 37). Gleichzeitig werden diese Veranstaltungen als zunehmend
verkommerzialisiert kritisiert, weshalb es mittlerweile Aufrufe zu diversen Gegenveranstaltungen gibt, etwa zum
Transgenialen CSD
in Berlin oder
CSD selber machen
in Köln. Hervorgerufen durch das massive Sponsoring der etablierten Paraden oder etwa die Teilnahme der FDP in Köln, stehen
bei den Alternativveranstaltungen Do-it-yourself, Repolitisierung, Entkommerzialisierung und die Solidarität mit anderen emanzipatorischen
Bewegungen im Zentrum. 1 Weiters gibt es auch
ältere
Formen der Aneignung öffentlichen Raumes, wie beispielsweise die Nutzung von Parks und öffentlichen Toiletten (Klappen) für
schwulen Sex, Graffitis mit Sex/Kontaktanzeigen et cetera.
Zwangsläufig fand lesbischwules Leben oftmals aber auch in abgeschlossenen Privaträumen statt, weshalb die Gestaltung dieser
Räume durch Konsumgüter einen hohen Stellenwert einnahm und das Coming- out als Ausbruch aus dieser Privatheit verstanden
werden kann (vgl. etwa Richard 2001). Häuslichkeit nimmt entsprechend einen wichtigen Platz in der Etablierung von Konsumpraxen
ein. Richard (ebd.) beschreibt die Werbestrategie der bewussten »Deheterosexualisierung«, mit ihrer »homosexuellen Vorstellung
von einem gemütlichen Heim« mit Kerzen, Fotos muskulöser Männer, Szenemagazinen und Kunstbüchern, als »interne Verbürgerlichung«,
was wiederum den Mythos der »ästhetischen Überlegenheit« Schwuler gegenüber heterosexuellen Männern infrage stellt. Anhand
von
Home-Makeover-Shows
im australischen Fernsehen, in denen die Wohnungen der KandidatInnen renoviert werden, zeigt Gorman-Murray (2006), dass Schwule
das heterosexistische Bild der Nuklearfamilie, bestehend aus Vater, Mutter und Kindern, einerseits durch queere Häuslichkeit
sehr wohl in Frage stellen können, etwa indem das Kinderzimmer durch Wegreißen einer Wand aufgelöst wird. Andererseits wirkt
die Nuklearfamilie gleichzeitig als Bild, um eine »acceptable gay masculinity« festzuschreiben, bei der Schwule in der Häuslichkeit
einer Zweierbeziehung als »proper citizens« definiert werden (ebd.: 233).
Historische Studien über die Anfänge schwuler und lesbischer Communities in den USA (vgl. etwa für Schwule in New York Chauncey
1994 oder für Lesben in Buffalo Davis/Lapovsky-Kennedy 1986) belegen ebenfalls die Rolle von Konsum zur Etablierung einer
Subkultur, zur Schaffung von Erkennungsmerkmalen: »gays and lesbians used clothes, furnishings, and |160| gifts to signal their sexuality to other gays and lesbians« (Sender 2004: 6). Da
passing,
also das »Durchgehen« als heterosexuell, dabei ein wichtiges Moment darstellte, sind Codes, was als lesbisch oder schwul erkannt
werden kann, immer auch subtil: »Hence, aesthetic
detail
and style’s subtle
gestalt
comprise the conceptual and symbolic field of the gay sensibility.« (Freitas u.a. 1996: 95) Zur Stilisierung von Schwulen
(und teilweise auch Lesben) als stilvolle Konsumavantgarde war es daher nur ein kleiner Schritt.
In den frühen neunziger Jahren wurden dementsprechend Schwule und teilweise auch Lesben vermehrt als Zielgruppe und bearbeitungswürdiges
Marktsegment verhandelt, immer öfter fiel die Bezeichnung
dream market
. Das Zusammenspiel von KonsumentInnen, Medien sowie erhöhter KonsumentInnen-Subjektivität zog die Herausbildung eines Marktsegmentes
nach sich (vgl. Peñaloza 1996: 10). Für
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