Konsumguerilla - Widerstand gegen Massenkultur
Schwulen-Community über Abbildungen in der (auch schwulen) Mainstream-Presse entstand, wird somit durch
das Produzieren neuer Repräsentationen Ausdruck verliehen. Die in BUTT artikulierte Kritik an den hypermaskulinen Körperbildern
der schwulen Lifestyle-Presse durch alternative Körperbilder läuft dabei aber Gefahr, trotz möglicher Transgressionsversuche
die Geschlechterdichotomie als gesellschaftliche Zwangsordnung weiterzuschreiben. Schließlich geht es in BUTT um die Darstellung
von Männlichkeit, wobei Frauen, Lesben und Trans-Identitäten außen vor bleiben.
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Consumer resistance
als Distanzierung von den dominanten ästhetischen Codes beschleunigt zusätzlich die Fragmentierung von Marktsegmenten – und
das bewerkstelligen Zielgruppen aus eigener Kraft (vgl. Murray/Ozanne 1991 und Firat/Venkatesh 1995), wie auch Gert Jonkers
bestätigt. »Wir haben uns unsere Nische selbst kreiert« sagt er in einem Interview mit dem deutschen
Tagesspiegel
(Lippitz 2006). In einem anderen Interview 2 meint sein Partner Jop Bennekom auf die Frage, was er denn von schwulen Männern hielte, die sich an die
mainstream world
assimilierten: »Good for them. […] It's up for everybody to decide how they want to live and what they want to do.« Gert Jonkers
auf dieselbe Frage: »In general it’s not very interesting to be mainstream.« Zumindest was ästhetische Distinktion und Abweichen
vom Mainstream betrifft, ist das Projekt BUTT also erfolgreich. »Mittlerweile bemüht sich der Mainstream so vehement um das
symbolische Kapital von ›Minderheiten‹, dass man sich fast nach den Zeiten zurücksehnt als ein Major noch ein richtiger Major
war« (Holert/Terkessidis 1996: 9).
Subkulturen der Popkultur sehen sich allerdings nicht erst seit gestern einer Vereinnahmung durch die Marketingabteilungen
großer Unternehmen ausgesetzt. Vor allem das Image als
early adopters
, Trendsetter und Konsum-Avantgarde, das schwulen Männern anhaftet, macht sie zu einer beliebten
Zielgruppe
. Problematisch wird die Inklusion von Lesben und Schwulen in die Mehrheitsgesellschaft an jenem Punkt, an dem die Integration
eines finanzkräftigen Teils als Gradmesser für den Abbau von Diskriminierung, Ausbeutungs- und Unterdrückungsmechanismen angesehen
wird. Schließlich ist auch eine Ausgabe von BUTT mit einem Verkaufspreis von acht Euro nicht gerade ein Schnäppchen, ebenso
wenig die Kleidung von Dior, die im Inneren der Zeitschrift beworben wird. Darüber hinaus ist die Inkorporierung subkultureller
Lebensweisen und Symbole in das »Lifestyling« von Marken (Wernick 1991) eine Ausprägung der Konsumkultur eines entwickelten
Kapitalismus. Holt (2002) sieht jene Strömungen, die eine postmoderne Konsumkultur erst ermöglicht haben, in den gegenkulturellen
Bewegungen der sechziger Jahre begründet. Die Ästhetik der sexuellen Revolution und der aufkeimenden Jugendkulturen sei längst
im Mainstream angekommen. Differenz ist zu einem Faktor ökonomischen Wirtschaftens geworden – und die »Verjüngung« der Ästhetik
zur Bedingung für die Hervorbringung und Vermarktung neuer Produkte |165| (Holt 2002: 72f.), so auch im Fall von BUTT und seinen AnzeigenkundInnen. Distinktionsbedürfnisse begründen die Marketingpraxis
der Differenzierung. Da Marketing auch immer mit KonsumentInnen korrespondiert, werden Konflikte zwischen Marketingtechniken
und KonsumentInnen immer in neuen Angeboten und Zielgruppen resultieren (vgl. ebd.). Bezogen auf BUTT heißt das, dass im Zeitablauf
neue, andere, subkulturelle Identitäten jenes subkulturelle Kapital beziehungsweise Werbeumfeld bereitstellen, das von Marketingabteilungen
vereinnahmt werden kann. Gleichzeitig ist aber auch darauf zu hoffen, dass sich neue subkulturelle Spielarten und Darstellungsformen
bilden: »The subculture finds ways to respond to this repression. It hides, recreates itself, takes secret or coded forms,
and regroups to survive« (Freitas u.a. 1996: 94).
Schlussfolgerungen
Die eingangs gestellt Frage, ob BUTT subversiv den schwulen Mainstream konterkariert oder ob es sich eher um eine marktförmige
Integration subkulturellen Kapitals handelt, lässt sich nicht abschließend klären. Was BUTT bewerkstelligt, ist eine Repräsentation
verschiedener schwuler Formen von Begehren zwischen Kunst, Kommerz und Pornografie. Aus der Perspektive des Marketings erweitert
das Magazin das – mittlerweile – umkämpfte Marktsegment um eine
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