Konsumguerilla - Widerstand gegen Massenkultur
Markenfirmen (erneut) dazu, Werbung im
Advocate
zu schalten (vgl. Sender 2001). Das BUTT Magazine scheint sich solchen Normalisierungstendenzen zu widersetzen und Fragen
nach der Vorzeigbarkeit von Schwulen bewusst nicht zu stellen. Inwiefern darin subversives Potenzial liegt, soll im Folgenden
erläutert werden.
In der Minderheit des Mainstreams der Minderheit
»There's more to gay culture than spending money and getting drunk.« (Wolfgang Tillmanns über BUTT)
Das BUTT Magazine unterscheidet sich von Hochglanzmagazinen wie etwa
Advocate.
»Very homo« und »very sexual, rejecting the ›acceptable‹ model of homosexuality« (The Observer 2006) mit Fotostrecken etwa
von Wolfgang Tillmanns, gibt das Kleinformat vor allem homosexuellen Künstlern ein Forum. Dennoch »interessiert sich BUTT
für das Leben des Durchschnittsmannes« (Kevdes 2006) und beschäftigt sich auf ähnliche Weise mit Künstlern und Nobodies ―
was sich schon am Stil der einzelnen Überschriften zeigt: »Switzerland’s most fabulous artist is in love with beauty and hiking«
oder »Boring interview with a random gay stranger« (BUTT Magazine Nr. 12 und 13). Der »revolutionary approach« (
The Observer
2006
) von BUTT mag darin begründet sein, im Hochglanz-Bereich unterrepräsentierte Individuen wie
Bären,
also behaarte Männer mit Bierbauch, alte Homosexuelle und Anhänger devianter Fetische in den Vordergrund zu stellen. Dies
geschieht auf eine Art und Weise, die »capital G gay […], smart, literate and fashionable, conversational [and] not interested
in propping up some ideologically proper or even terribly consistent image of what it means to be a homosexual« ist, wobei
gilt: »it also manages to be dirty« (LaBruce 2006: 9).
Während der Herausgeber des
Advocate
Ende der siebziger Jahre davon spricht, sein Magazin weniger »sleazy« gestalten zu wollen, unter anderem um AnzeigenkundInnen
jenseits des »lesbischwulen Marktes« zu rekrutieren und einen konsumierbaren, schwulen Habitus zu schaffen (Sender 2001: 83),
scheint die Intention der BUTT-Herausgeber im Jahr 2001 genau gegenteilig zu sein. Im Gegensatz zu den Bildwelten des
respectable gay consumer
lesbischwuler Hochglanzmagazine wie
Advocate
, die es erlauben, Konsumgüter sowohl für hetero- als auch homosexuelle Männer gleichermaßen |163| vermarktbar zu machen und so die Sichtbarkeit von Devianz aufgeben, ist es BUTTs Strategie, »disgruntled and non-conformist
fags, fetishists, and freaks who avoid fitting into the cookie-cutter mould of the gay orthodoxy« (LaBruce 2006: 11) zu zeigen.
Diese Strategie begründet sich in einer Betonung des Sexuellen und im Zitieren von Stilen und Bildern der Entstehung schwuler
Sex-Industrien in den siebziger Jahren, die zeitgleich zu den ersten Erfolgen der politischen Lesben- und Schwulenbewegung
stattfand (vgl. Kates 2002: 387).
Wer zum Beispiel anfangs in BUTT inserieren wollte, musste die Gestaltung der Anzeige den Chefs in Amsterdam überlassen, die
dann meist einfach ein Logo auf eine leere Seite druckten (intro.de 2006). Durch haufenweise entblößte Penisse und Fotografien
in nahezu lächerlichen Posen nisten sich die BUTT-Macher Jonkers und van Bennekom im Niemandsland zwischen Porno und Kunstmarkt
ein – und unterbreiten einer urbanen, gebildeten und häufig selbst künstlerisch tätigen Schicht ein Distinktionsangebot zum
schwulen Mainstream: Jenen »Schwulen« also, denen die »üblichen, auf sie zugeschnittenen Publikationen zu saturiert, zu anzeigenlastig
oder zu politisch geworden waren – oder einfach nicht mehr ausreichend Distinktion versprachen« (Kevdes 2006). Schließlich
stehen permanente Absetzungs- und Gegenbewegungen auch in schwulen Subkulturen und Sub-Subkulturen an der Tagesordnung (vgl.
Richard 2001). Dadurch bieten sie dieser Klientel eine Möglichkeit, ihre Identität und die mit ihr verbundenen sozialen Bedeutungen
zu kommunizieren, aufrechtzuerhalten und zu konstruieren, verschiedene Begehren wieder zu erkennen und zu verstehen (vgl.
Kates 1999). Der Konsum von BUTT beziehungsweise die Adaption gewisser schwuler Styles kann insofern als subversive Politikform
verstanden werden, ähnlich den symbolischen genderpolitischen Praxen der Riot Grrrls, die sich in Abgrenzung zum Second-Wave-Feminismus
nicht auf eine bestimmte Geschlechtsidentität und Differenz bezogen (vgl. Baldauf/Weingartner 2002). Der Unzufriedenheit,
die in Teilen der
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