Konsumguerilla - Widerstand gegen Massenkultur
weitere Nische, eine zusätzliche Facette. Der explizit schwule
Zugang des Magazins sorgt außerdem dafür, dass eine unangepasste Art und Weise des »Schwulseins« repräsentiert wird. BUTT
trägt somit zu einer Verschiebung von (schwulen) Männlichkeitsbildern bei und kann so einer Erweiterung des Repräsentationsspektrums
und womöglich auch des individuellen Handlungsspielraumes Vorschub leisten. Die Finanzierung durch prominente Werbeeinschaltungen
scheint ausreichend, was einerseits positiv als Rückwirkung in den Mainstream interpretiert werden kann, andererseits auch
negative normalisierende Wirkung haben könnte – der Mainstream wird sich auch an Magazine wie BUTT gewöhnen, wenn das nicht
ohnehin schon passiert ist. Problematisch scheint auch, dass bei BUTT wiederum nur ein Ausschnitt schwulen Lebens dargestellt
wird, nämlich überwiegend jener des Sexlebens schwuler Bohemiens. Politisch kann ein Fokus auf gut situierte Lesben und Schwule
problematisch werden, wie es sich etwa in den USA zeigt, wo anti-homosexuelle |166| Gruppen den angeblich privilegierten Status von Lesben und Schwulen in Bezug auf Einkommen und Bildung als Grund anführen,
diese weiter zu diskriminieren (vgl. Sender 2004: 9). Der Mainstream wird mit devianten Bildern angereichert, materielle Machtungleichgewichte
dadurch womöglich ausgeblendet.
In einem Queer Theory-Verständnis von Normalisierung als Herrschaftsverhältnis (vgl. Brunner 2005) muss außerdem gefragt werden,
ob BUTT die heterosexuelle Matrix nicht insofern perpetuiert, als es sich auf Identitäten und die Grenzen zwischen Frau und
Mann, Homo und Hetero, die im Sinne der Queer Theory als Effekte diskursiver Praktiken verstanden werden können, bezieht und
diese nicht nachhaltig hinterfragt. Eine Gegenstrategie im Sinne der Queer Theory wäre in diesem Zusammenhang jene der »Veruneindeutigung«
(vgl. Engel 2002). Von einem politischen Standpunkt aus bleibt weiterhin relevant, dass Begehren nicht abgekoppelt von gesellschaftlichen
Verhältnissen und ohne Berücksichtigung anderer Herrschaftsachsen (wie zum Beispiel jener kapitalistischer Ausbeutungsverhältnisse)
politisch wirkmächtig abgebildet werden kann (vgl. Brunner 2005: 86f.). So gesehen verfügt nicht jede queere Subjektposition
über ausreichend (kulturelles und ökonomisches) Kapital, um am Diskurs um BUTT teilzunehmen – geschweige denn die im Magazin
beworbenen Produkte zu erwerben. Schließlich bleibt in Anbetracht der Tatsache, dass der »ruhelose, individualistische, freigeistige
Bohemien« mittlerweile stark an den neo-liberalen Geist des Kapitalismus erinnert (Heath/Potter 2005: 248), fraglich, inwiefern
queer verschobene Männlichkeitsbilder in Konsumwelten subversiv wirken können.
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