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Konsumguerilla - Widerstand gegen Massenkultur

Konsumguerilla - Widerstand gegen Massenkultur

Titel: Konsumguerilla - Widerstand gegen Massenkultur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Richard , Alexander Ruhl
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Mordfälle innerhalb
     der norwegischen Black Metal-Szene verkörpern diese Taktik (und gleichzeitig das Ideal) des
Ernst machens
. Was vorher nur in einer dem Metal oft inhärenten Horror-Ikonografie visualisiert wurde, fand in den neunziger Jahren seine
     Verwirklichung. Der Black Metal selbst bietet in seiner Gesamtheit (Sound, Bild, Ideologie) ein Bedeutungsfeld rund um die
     Todesmetapher. Der Tod steht symbolisch für die Stärke des Außenseiters, der einer Konsenswelt zu entfliehen vermag. Der Tod
     als Grenze zum Alltag, als mannhaftes Symbol einer übermächtigen Gestalt, die sich gesellschaftlichen Tabuisierungen vom Tod
     nicht beugt, sogar vom Tode unbezwingbar scheint. |180| Der Begriff der Marter, wie Foucault ihn verwendet, scheint, bezogen auf die Form der Gewaltanwendung als tragender Bestandteil
     der Ikonografie des Bösen, passend. 11 Die Marter als »düsteres Fest der Strafe« (Foucault 1977: 15), beruht auf einer »quantifizierten Kunst des Schmerzes« (ebd.)
     und muss einige Hauptkriterien erfüllen, um Marter zu sein. Sie muss eine bestimmte Menge an Schmerzen erzeugen. Der Tod ist
     eine Marter, wenn er Anlass und Abschluss einer »kalkulierten Abstufung von Schmerzen« (ebd.) darstellt. Die Einstellung zum
     Tod ist heute eine andere als zu Zeiten des
Ancien Régime
, als Martern ein legitimes Mittel der Strafe darstellte. Die Verachtung des Körpers hängt mit dieser Einstellung zusammen,
     die durch christliche Wertungen sowie demografische und biologische Situationen, wie »Verheerungen von Krankheit und des Hungers,
     die periodischen Massaker der Epidemien, die ungeheure Kindersterblichkeit, die Labilität der bio-ökonomischen Gleichgewichte,
     hervorgerufen wurde« (ebd.: 72). Diese Vertrautheit des Todes lässt Rituale entstehen
,
»die ihn integrieren und annehmbar machen, seiner ständigen Aggression einen Sinn verleihen sollten« (ebd.). Der Diskurs einer
     öffentlichen Moralität, welcher das Empfinden von Angemessenheit einer Gewaltanwendung bestimmt, wird ersetzt durch die körperliche
     Marter, bei der die Abschreckung durch Formen des Terrors funktioniert, dessen Bilder »sich ins Gedächtnis der Zuschauer eingraben
     wie das Brandmal auf die Wange oder Schulter des Verurteilten« (ebd.: 141).
    Heute ist der Tod aus dem Leben verbannt, somit wirkt die Marter maßlos und barbarisch – ein wichtiger Grund, sie in den düsteren
     Bildwelten diverser Musikgenres neu zu beleben. Der (gewaltsame) Tod als die endgültige Standardverletzung. Genauso ist die
     Marter als Bestrafungsmethode Andersartiger/Andersgläubiger bildgewaltig wieder aufgetaucht: Abu Graib, Nick Berg und die
     Amokläufe in Tuusula, Blacksburg und Illinois (sowie
torture porn
als wiedererstarktes, ironiefreies filmisches Mittel), fiktionalisieren sich über die mediale Präsentation. Diese Martern
     sind der unbeschriebene Teil der Repressionsapparate, dessen Sichtbarmachung über eine neue Form der Bildberichterstattung
     stattfindet (Internet, Amateurfotografie). Die Gemarterten werden zu Bildikonen jetmöglicher Interpretation und ihre Vollstrecker
     werden zu Ikonen des Bösen stilisiert. Allen voran Varg Vikernes, der als Count Grishnackh die Ein-Mann-Band
Burzum
betreibt |181| und 1994 wegen Mordes an einem anderen Mitglied der Black Metal-Szene zu 21 Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Mit der Verwirklichung
     der bösen Tat, wird die Trennung von Theorie und Praxis, sprich eine Symbolwelt zu kreieren, die auf symbolischer Ebene bleibt
     und der Transfer zur bösen Tat nicht vorgesehen ist, aufgehoben.
    Der Ikonografie
Burzums
und des Black Metal dieser Zeit bedient sich der Black Metal, aber auch viele andere Musiker und Musikfans, noch heute, um
     dem Anspruch des absolut Bösen 12 gerecht zu werden. Ähnlich dem vermeintlichen Echtheitsanspruch der Pornografie über den realen Akt des Beischlafs, wird
     hier der Horror, mit Referenzen zum Horror-, Gore-, Splatterfilm, Wirklichkeit. Der Starkörper, wie der von Varg Vikernes,
     wird zum Symbolträger und verleiht Musik und Selbstpräsentation eine Aura des Bösen, die nicht nur Klischees und Urängste
     einer christlich geprägten Gesellschaft wecken soll, sondern diese auch in die Wirklichkeit transportiert. Diese Hybridisierung
     der Metal-Ikonografie mit der Echtheit der bösen Tat bietet Musikern und Fans die Möglichkeit zur Partizipation und Selbstaufwertung,
     indem diese durch Echtheit »geadelte« Ikonografie individuell genutzt wird.

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