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Konsumguerilla - Widerstand gegen Massenkultur

Konsumguerilla - Widerstand gegen Massenkultur

Titel: Konsumguerilla - Widerstand gegen Massenkultur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Richard , Alexander Ruhl
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Strategie/Taktik-Konstellation dar. Bei de Certeau allerdings gehen aus
     Taktiken keine Dinge oder etwas Bleibendes hervor. Die Taktik »liegt in der Entscheidung selber, das heißt, im Akt und in
     der Weise, wie die Gelegenheit ›ergriffen wird‹.« (de Certeau 1988: 24) Strategien dagegen sind auf eine gewisse Dauer gestellt,
     haben nachvollziehbare Strukturen und werden an definierter Stelle beschlossen. Seit
Die Kunst des Handelns
erschien, haben Markt und Kulturindustrie für praktisch jede Subkultur und insbesondere für Jugendkulturen dazugehörige Produkte
     konzipiert. Von Personen in einem bestimmten kulturellen Kontext entwickelte Taktiken werden so als Resultat der Strategien
     von Unternehmen nun käuflich angeboten. Um den Mainstream zu durchbrechen, kann man auf dem Markt unter zahlreichen Lifestyles
     einen wählen und alle zugehörigen Elemente wie Mode, Musik und Accessoires käuflich erwerben. Die Angebote fokussieren dabei
     allerdings vor allem bestimmte Subkulturen: Die Boheme, die Hip-Hop-Szene, den Lolita-Stil, Rock, Gothic, Skinhead, Punk und
     so weiter. 10
    |199| Der Wandel von dezentral praktizierten Taktiken zu Verkaufsstrategien schlägt dabei jedoch noch eine andere Richtung ein.
     Die letzten zehn Jahre waren gekennzeichnet von wachsenden Webportalen, fallenden Preisen für Elektronikprodukte, von zunehmend
     weiten Reisen oder, allgemein gesprochen, von der Globalisierung. Damit finden auch immer mehr Länder den Anschluss an das
     Internet, und virtuelle Gemeinschaften mit kollektiv erstellten Inhalten entstehen rund um die verschiedensten Darstellungsformen
     und in den unterschiedlichsten Formaten: Beispielsweise Weblogs, Diskussionsforen, RSS-Feeds, Musik, Foto- und Videoportale,
     aber auch gemeinsam erstellte Landkarten und Webseiten für Produktbewertungen von Nutzenden.
    Auf die Zunahme solcher Inhalte reagierten Unternehmen mit mächtigen Softwarewerkzeugen, die Plattformen zu beliebten Umgebungen
     für die im Web engagierten UserInnen machen. 11 Web 2.0-Seiten zur Aufnahme der individuellen Inhalte stehen weltweit zu Tausenden bereit (wenn man einmal außer Acht lässt,
     dass einige Staaten den Zugriff auf bestimmte Seiten blockieren). Im Zuge dieser Vielfalt können nicht nur bestimmte Anteile
     von Subkulturen repräsentiert werden, vielmehr lässt sich ein detailliertes Bild des Alltags vieler Millionen Menschen rekonstruieren,
     die Online-Tagebücher führen und Fotos oder Videos im Netz präsentieren.
    So werden Dinge und Handlungen, die vormals flüchtig und auf den Moment beschränkt, selten sichtbar und daher kaum darstellbar
     waren, nun dauerhaft bereitgestellt und nachvollziehbar präsentiert. Denn die Plattformen für soziale Netzwerke bieten unbegrenzten
     Speicherplatz und unzählige Werkzeuge zur Darstellung individueller Äußerungen, über die Personen ihre Gedanken und Meinungen
     darlegen. Dies geht soweit, dass mobile Geräte wie Notebooks, Kameras und Mobiltelefone bereits ab Werk so konfiguriert ausgeliefert
     werden, damit unmittelbar live veröffentlicht werden kann. Die Akzeptanz solcher Möglichkeiten lässt hier die Frage aufkommen,
     wann dies so normal sein wird wie die Verwendung von E-Mail. 12
    |200| War bei de Certeau 1980 Strategie noch »die Berechnung (oder Manipulation) von Kräfteverhältnissen, die in dem Moment möglich
     wird, wenn ein mit Willen und Macht versehenes Subjekt (ein Unternehmen, eine Armee, eine Stadt oder eine wissenschaftliche
     Institution) ausmachbar ist« (de Certeau 1988: 87), so zeichnet sich zeitgemäßes unternehmerisches Handeln von Social Media-Anbietern
     durch das exakte Gegenteil aus. Vorausschauende, systematische Berechnungen sind ständigen, schnellen Reorganisationsprozessen
     gewichen. Sie streben nach Flexibilität und möglichst umfassender Anpassbarkeit und haben sich auf einen kontinuierlichen
     Wandel eingestellt. 13 So stellt nach O’Reilly ein wichtiges Kriterium zeitgemäßer Anwendungen die
hackability
oder
remixability
dar, also die Brauchbarkeit von Software gerade auch jenseits der von den EntwicklerInnen intendierten Verwendungsweisen.
     Und tatsächlich beruht ein nennenswerter Teil der Beliebtheit von Google, Flickr, Amazon, eBay, Microsoft, Yahoo! und YouTube
     auf offen gelegten Schnittstellen, auf die externe Anwendungen zugreifen können. 14
    Strategien von Anbietern der Plattformen für soziale Netzwerke nähern sich demnach kompromisslos den ursprünglich für Taktiken
    

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