Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kontaktversuche

Kontaktversuche

Titel: Kontaktversuche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Simon (Hrsg)
Vom Netzwerk:
ausfallen würde. Er erinnerte sich an seinen eigenen Gedanken: Nach den Naturgesetzen, die wir kennen, kann diese Welt nicht existieren… Es ist ausgeschlossen, daß Entdeckungen Beschränkung hervorrufen, aber sie wird sie anscheinend immer begleiten! – Was gab ihm Veranlassung, von diesem Menschen mehr zu verlangen? Vielleicht seine Fragen? Nein, die Fragen ärgerten ihn bloß, sie ärgerten sich einfach gegenseitig, ohne es zu wollen und ohne zu wissen, warum.
»Entschuldigen Sie! Ein ungeschickter Scherz.«
»Also, fahren wir fort. Sie wollten damals nicht gehen?«
»Wohin? Ich wollte auch nicht hierherkommen.«
»Ich meine die Baustelle. Antworten Sie.«
»Nein, ich wollte nicht…«
»Und trotzdem sind Sie gegangen?«
»Ich mußte gehen. Damals konnte ich noch nicht anders, da mußte ich gehen.«
»Und jetzt?« fragte der andere rasch mit einer unklaren Hoffnung.
»Jetzt ist es etwas anderes«, sagte Andrej und seufzte; er wußte selbst nicht, ob erleichtert oder bedauernd.
»Wieso anders? Erklären Sie mir, was sich verändert hat.«
»Sie würden es nicht verstehen.«
»Es sind da eine Menge Dinge zusammengekommen, die ich alle nicht verstehen kann. Kommt Ihnen nicht in den Sinn, daß Sie mich beleidigen?«
»Ich beleidige Sie nicht. Es gibt Dinge, die nicht nur Sie nicht verstehen können… Ich auch nicht…«
Oder vielleicht er noch weniger? Seit der Nacht, wo er im Park wachgerüttelt und danach dahin und dorthin gebracht worden war, bis er schließlich unverhofft Elena wiedersah, war Andrej voller Fragen… Als ihn das Mädchen berührte, begriff er, daß er ein Mensch geworden war. Doch seitdem fragte er sich ununterbrochen, ob wirklich – oder ob er bloß äußerlich einem Menschen glich. Denn was hatte er gewonnen außer dem Gefühl der Einsamkeit, außer Angst, Durst und Hunger? Wahrscheinlich nur noch menschliche Ohnmacht. Der hinter dem Schreibtisch hatte trotz seines traurigen Mundes mehr Macht – er konnte Elena finden und sie ihm nachher wieder wegnehmen. Und ohne Elena verlor alles seinen Sinn.
Oder vielleicht gab es noch etwas, wichtiger als das, ob er ein Mensch geworden war? In den beiden Tagen, die er hier zugebracht hatte, hatte Andrej oft über seinen Schritt nachgedacht und gleichsam die Augenblicke noch einmal erlebt, da er, soeben von der Erde wiedergekommen, erneut davon träumte, zu Elena zurückzukehren. War ihm denn das Leben auf dem Schiff so zur Last? Kaum! Doch nachdem er Elena begegnet war, regten sich die Gedanken, die er jetzt eine Vorahnung von etwas Ungewöhnlichem und von Mal zu Mal Verlockenderem hätte nennen können.
Andrej sah den Mann hinter dem Schreibtisch an. Ja, sie beide glichen sich. Trotz allem war er ein Mensch geworden – er fühlte und quälte sich selbst nicht schlechter als dieser. Aber ob der hinter dem Schreibtisch wohl seine unmögliche Lage begreifen konnte? Auf dem Schiff konnte er mit seinem Denken alles erreichen. Was erreichte er hier mit seinen Gefühlen? Und was hatte er mit diesen Gefühlen gemein? Als er auf dem Schiff war, zog es ihn in die verlockende Welt Elenas – jetzt befand er sich hier inmitten dieser Welt und hatte noch nichts von ihrer Verlockung gesehen. Oder würde sie nie zum Vorschein kommen?
Selbst vor einem Augenblick, als er das vom Kosmos gesagt hatte, erlag er noch immer der Selbsttäuschung, er sei das Opfer eines dummen Mißverständnisses, und wollte die unerträglich große Entfernung zwischen sich und den Menschen nicht sehen – die Entfernung zu einer Welt, in der er ein Fremder blieb.
Andrej hatte den Kopf gesenkt und es voller Verzweiflung aufgegeben, auf die Fragen des Mannes hinter dem Schreibtisch zu hören.
»Zu welcher Baustelle hat man Sie geholt?« schrie der schließlich.
»Zu gar keiner…«
»Fangen Sie wieder an?«
»Es war keine Baustelle!«
»Also haben Sie Elena belogen?«
»Ich habe sie nicht belogen«, entgegnete Andrej feindselig. »Sie werden wieder beleidigt sein, Sie sind sehr oft beleidigt, aber Sie werden es abermals nicht verstehen. Sie wollte einfach etwas über mich wissen; ich habe ihr gesagt, was sie begreifen konnte, was ihren Vorstellungen entsprach. Es gibt Dinge… Wenn man die nicht begreifen kann, hält man den für verrückt, von dem man sie gehört hat. Vielleicht ist es so leichter, vielleicht ist das natürlich. Ich wollte nicht, daß mich Elena für übergeschnappt hielt.«
Aber war er nicht wirklich geistesgestört; wenn er vergessen hatte, daß ein Lebewesen

Weitere Kostenlose Bücher