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Kontaktversuche

Kontaktversuche

Titel: Kontaktversuche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Simon (Hrsg)
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Berge gestiegen, aber der Garten vor mir war in zartes Licht getaucht. Hinten im Garten leuchteten wie kleine weiße Planeten die Chrysanthemen. Es war still, an den Bäumen regte sich kein Blatt. Nur der Tau funkelte kaum sichtbar in seinem noch matten Perlenglanz.
Ich weiß nicht, in was für einer Welt der Fremde lebte, aber unsere war wirklich unermeßlich schön. Vielleicht war das der einzige Lohn für seine Einsamkeit hier.
Ein paar Tage lebte ich wie im Traum. Selbstverständlich arbeitete ich, aber alles, was auf dem Papier erschien, kam mir mager vor und fade. Dann ließ ich die Arbeit liegen und begann zu lesen. Aber das half auch nicht. Am Sonntag startete ich schließlich den Wagen und ließ ihn langsam in der schmalen Fahrspur bergab rollen. Ich kam auf die Chaussee und bog nach links ab, in Richtung auf das Sanatorium, obwohl ich nicht daran denken wollte. Je weiter ich kam, desto fiebriger wurde ich, ich merkte, wie meine Knie unmerklich zitterten. Trotzdem trat ich immer stärker aufs Gas, und der Wagen schoß auf seinen alten, abgefahrenen Reifen dahin. Bald kam ich an der Stelle vorbei, wo die Katastrophe passiert war, hielt aber nicht an. In diesen Augenblicken brannte ich geradezu vor innerer Ungeduld.
Ich weiß nicht mehr, wie ich zum Sanatorium kam. Ich klopfte an die weiße Tür von Doktor Wesselinow und trat ein, ohne eine Antwort abzuwarten. Der Arzt saß wie immer mit Röntgenaufnahmen in der Hand an seinem üblichen Platz. Er sah mich an, sein Gesicht war verblüfft.
»Etwas Unglaubliches ist geschehen!« sagte er mit einer Stimme, die ich kaum wiedererkannte.
Ich spürte, wie eine ungeheure Erleichterung sich wie fremdes Blut durch meine Adern ergoß.
»So? Nämlich was?«
»Ihr Freund ist wieder gesund.«
»Wieder gesund? Was soll das heißen?« staunte ich heuchlerisch.
»Eben ganz einfach wieder gesund. Da haben Sie die Aufnahmen – als hätte ihm nie etwas gefehlt… Ich habe das Gefühl, daß seine Lunge völlig erneuert ist…«
Ich schaute seine Aufnahmen gar nicht erst an, es war überflüssig.
»Das kann nicht sein!« sagte ich. »Wahrscheinlich haben Sie die Aufnahmen verwechselt.«
»Wie soll es nicht sein können, wo es doch Tatsache ist!« entgegnete er gereizt. »Das sind die zweiten Aufnahmen, alles ist unter meiner persönlichen Kontrolle gemacht worden.«
Ich hielt es für klüger zu schweigen. Er sah mich immer noch so verblüfft an und klappte dumm mit seinen geröteten Lidern.
»Gleich morgen gebe ich eine wissenschaftliche Mitteilung heraus!« sagte er hitzig. »Meine Kollegen werden platt sein.«
»Gar keine Mitteilung werden Sie herausgeben«, widersprach ich lächelnd.
»Warum?« fragte er auffahrend.
»Weil sie nicht wissenschaftlich sein kann«, erwiderte ich. »Sie werden schlicht und einfach einen Fakt mitteilen, den Sie nicht erklären können…«
Er runzelte die Stirn, sagte aber nichts.
»Zweitens, und das ist wichtiger: Seien Sie überzeugt, niemand wird Ihnen glauben, selbst wenn Sie diesen Fakt bekanntgeben.«
»Warum nicht?« fragte er schroff. »Schließlich lege ich Aufnahmen vor.«
»Aufnahmen, Unsinn… Sie haben mindestens zwanzig Aufnahmen von fliegenden Untertassen gesehen, aber glauben Sie etwa daran?«
Er fing abermals an, dumm mit den Lidern zu klappen.
»Schon, ja aber… ich habe einen gesunden Menschen vorzuweisen…«
»Seien Sie überzeugt, daß Ihnen das auch nicht helfen wird…«
»Glauben Sie’s nicht?« fragte er brüsk.
»Selbstverständlich glaube ich Ihnen… Aber die anderen werden Ihnen nicht glauben. Sie sind Wissenschaftler, begreifen Sie nicht, daß das nicht sein kann? Alle Ihre Kollegen werden meinen, Sie seien verrückt oder ein Schwindler… Dabei ist das letztere wahrscheinlicher und obendrein unangenehmer.«
Jetzt erst hörte er auf zu zwinkern, er sah nun ganz ernüchtert aus. Verstohlen beobachtete ich, wie er schwieg und überlegte, wie sein gesunder, nüchterner Verstand in seinem mächtigen Schädel geradezu knisterte.
»Wissen Sie, Sie haben völlig recht!« sagte er erleichtert. »Freilich, versteht sich, ein Fakt ist überhaupt kein Fakt…«
»Wo ist er jetzt?«
»Wer?« fragte er zerstreut.
»Mein Freund…«
»Aufgestanden ist er selbstverständlich… Vor einer Weile ist er im Park spazierengegangen.«
Nur ein paar Schritte trennten mich vom offenen Fenster. Ich bemerkte ihn sofort – er stand neben einem der Ziersträucher und hielt etwas Weißliches in der Hand, das ganz wie ein Vogelei aussah. Er

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