Kontinuum des Todes
Kenntnisse und Fähigkeiten erlauben. Bei einem Patienten dürfen Sie niemals ein Risiko eingehen.« Mit einem trockenen Grinsen fügte er noch hinzu: »Jedenfalls dürfen Sie es niemals zugeben. Und jetzt verschreibe ich als Bordarzt der Odile uns beiden jeweils zwei Centiliter Weinbrand. Sie finden ihn …« Er verstummte, als der Schiffsalarm wieder einsetzte. »Was ist jetzt los?«
Ein Angreifer hatte ihre Abwehrmaßnahmen durchbrochen und die Geschütztürme im oberen rechten Quadranten und in der mittleren Sektion waren ausgeschaltet worden. Ein weiterer Schiffsabschnitt war undicht geworden und versiegelt. Alle Mannschaftsmitglieder wurden auf ihre Notstationen gerufen.
Garewal rannte davon, um eine Kanone zu besetzen. Hätte es wirklich bereits Verwundete gegeben, hätte Stacey ihnen eine Notbehandlung verpassen und sich dann in den linken unteren Quadranten begeben müssen, um einen Laser zu besetzen. Dieser Abschnitt war abgeriegelt, und so rannte er in einen anderen, warf sich in den Sessel hinter einer Kanone. Gerade als er nach den Kontrollen der Waffe griff, leuchtete eine rote Lampe auf, die seine und die Vernichtung dieser Kanone anzeigte.
»Übung beendet«, hörte man Varl über Lautsprecher. »Jeder geht wieder seinen normalen Aufgaben nach.« Nach einer kleinen Pause fügte er noch beißend hinzu: »Wäre das ein echter Angriff gewesen, wären Sie bereits alle tot.«
Wieder zurück in seinem Behandlungszimmer, setzte Stacey sich auf den Operationstisch und erwartete den üblichen Andrang leichterer Verletzungen. Als erstes erschien eine Frau, die einen zerschnittenen Unterarm hatte.
»Ein schönes Souvenir von dem Versuch unseres Kommandanten, Perfektion zu erreichen«, sagte sie bitter. »Will er eine Raumkampftruppe innerhalb von wenigen Tagen aufstellen?«
»Wir sind schon zwei Wochen hier.«
»Dauert eine solche Ausbildung sonst nicht sechs oder acht Wochen?«
»Ich vermute, er hat es eilig.« Stacey nickte Garewal zu, der wieder an seinen Platz zurückkehrte. »Singh wird sich darum kümmern. Der nächste?«
Mboto blinzelte, als Stacey seine Schulter abtastete.
»Ich glaube, sie ist ausgekugelt, Doc.«
»Das ist sie. Wie kam das?« Der Mann war in einer simulierten Blutlache ausgerutscht und hatte beim Sturz versucht, sich abzustützen. Während Mboto noch erzählte, hatte Stacey alles vorbereitet, und mit zwei, drei Griffen war der Arm wieder eingerenkt.
»Au!«
»Tut etwas weh, was?« Stacey nickte. »Er wird eine ganze Weile noch empfindlich sein, tragen Sie ihn also in einer Schlinge. Bitte keinen Belastungen aussetzen. Das wird Ihnen helfen.« Er schüttelte drei Tabletten aus einer Flasche. »Einen Drink?«
»Wenn es was zu feiern gibt, gern.«
»Als meine erste Verrenkung auf dieser Reise, immer. Drei Gläser, Singh – hoffen wir, daß uns diesmal kein falscher Alarm dazwischenkommt.«
Der Weinbrand war gut, und Stacey genoß ihn genauso wie die relative Ruhe, die jetzt im Schiff eingekehrt war. Mboto lag in seiner Kabine im Bett und kurierte den Schmerz in seiner Schulter aus.
Als eine leise Glocke ertönte, sagte Stacey: »Ich bin mit der Wache dran, Singh. Gehen Sie und versuchen Sie zu schlafen, so gut es geht.«
Garewal nickte, erhob sich, nahm das Buch mit und verließ die Krankenabteilung. Allein gelassen, schenkte Stacey sich noch einen Schnaps ein, starrte in die goldgelbe Flüssigkeit in seinem Glas. Aus der Tiefe schien ein anderes Gesicht zurückzustarren. Das Gesicht sah noch nicht so alt aus, wie Stacey wirklich war. Stacey schien, als wären einige Unebenheiten daraus verschwunden, die in Wirklichkeit nicht zu übersehen waren. Das Gesicht verschwand, als er das Glas ansetzte, es austrank und in seinem Körper plötzlich das Glühen flüssigen Feuers verspürte.
Im Kontrollraum war Varl damit beschäftigt, die Ergebnisse der letzten Einsatzübung zu überprüfen. Der Angriff war von den Computern simuliert worden und hatte mit dem vollständigen Verlust der Odile geendet.
»Sie können der Besatzung nicht die Schuld geben«, sagte Owen. »Die Leute wurden von allen Seiten bedrängt. Als erst der Laderaum durchlöchert war und die Energie ausfiel …«
»Passiert so was nicht auch im echten Kampf?«
»Manchmal schon, aber …«
»Und der Gegner nutzt das niemals aus?«
Cole wandte sich in seinem Sessel um. »Bleiben Sie fair, Commander. Ganz gleich, wie stabil ein Schiff oder wie gut eine Mannschaft ausgebildet ist, so kann man sich immer
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