Kontinuum des Todes
Ruf »Herein!« Erica öffnete die Kabinentür und betrat den Raum.
»Du hast mich erwischt«, sagte er. »Bei der Arbeit eingeschlafen.«
»Das wird mit hundert Stockhieben bestraft«, sagte sie lächelnd. »Diesmal kommst du aber noch einmal davon – du hattest Freiwache.«
Varl schaute zur Uhr – er hatte etwas länger als eine Stunde geschlafen.
Die Frau übergab ihm einen großen Umschlag. »Das kam vor zwei Stunden an. Ich gratuliere!«
Der Umschlag war offen – er enthielt sein Kapitänspatent und eine offizielle Urkunde, die ihn zum Kommandanten beförderte. Kalifs Werk, und, so vermutete Varl, ein Schachzug, um sich seine Loyalität zu sichern. Erica, die ihn beobachtet hatte, runzelte die Brauen.
»Freut dich das nicht?«
»Ich brauche keine Bescheinigung, daß ich Kapitän bin.«
»Das wird sich als nützlich erweisen. Ebenso die Beförderung. Du brauchst beides, wenn du einmal Hilfe von einer Erd-Kon-Welt benötigst.«
Treibstoff und Nahrungsmittel, Munition und Ersatzteile, Ersatzleute für seine Mannschaft – der alte Bastard hatte an alles gedacht.
Oder vielleicht doch nicht. Varl lehnte sich zurück, verspürte zunehmende Zufriedenheit in sich aufkeimen. Er besaß jetzt ein Schiff, eine Mannschaft, alles Zubehör, das er brauchte, und das Universum stand ihm weit offen. Kalif hatte ihm die Freiheit wiedergegeben, und er mußte sich dessen noch bewußt werden.
Welche Sicherungsketten hatte er ihm umgelegt, die er bisher noch nicht erkannt hatte?
Varl rieb sich das Gesicht und stand auf. Die Kopfschmerzen waren immer noch nicht weg, und so ging er an einen Wandschrank, nahm sich drei Tabletten heraus und schluckte sie hinunter. Erica reichte ihm ein Glas Wasser dazu, für das er sich bedankte.
»Wenn die Schmerzen von Staceys Behandlung herrühren, so soll er es besser noch einmal untersuchen«, sagte sie. »Meine verschwanden nach fünfzehn Minuten, die von Mboto nach fünfunddreißig. Er sollte doch auch informiert werden, oder?«
»Ich sagte: die gesamte Mannschaft, und dazu gehört er jetzt auch.«
»Der Mann muß verrückt sein«, sagte Erica.
»So wie du und alle anderen hier an Bord?«
»Du auch, Kurt.«
»Ich hatte keine andere Wahl«, erinnerte er sie. Die hatte die restliche Besatzung jetzt auch nicht mehr. Eingeschlossen in die Odile, mußten sie bis zum Ende dabeibleiben.
»Ist sonst noch etwas aus Polar North gekommen?«
»Nur einige Ergänzungen zu den Computerdaten, die ich erbat. Ich speichere sie ein, sobald wir unterwegs sind. Wann wird es soweit sein, Commander?«
»Eilig, abzufliegen?«
»Noch weiter hierzubleiben, hat keinen Sinn.« Sie wandte sich zur Tür, blieb kurz davor noch einmal stehen.
Als sie den Türknopf berührte, sagte Varl: »Stacey wollte nicht, daß du mitfliegst. Ich fange langsam an zu glauben, daß einiges für seine Meinung spricht.«
»Ich?«
»Ihr alle, alle Frauen.«
»Er ist altmodisch«, antwortete sie. »Tausend Jahre zurück. Hat er noch nie was von Gleichberechtigung gehört?«
»Die existiert nicht und hat nie existiert. Gleiche Chancen zu haben, macht uns noch nicht gleich – wäre es so, könnte ich auch Kinder bekommen. Du weißt, wie ich das meine?«
Erica schaute an ihrem Körper hinab. »Ich glaube, ja.«
»Wir Männer wissen, daß ihr anders seid, ihr braucht uns also nicht ständig daran zu erinnern. Ich möchte, daß alle Frauen eine Kleidung tragen, die ihre Weiblichkeit nicht noch betont. Kein Make-up, kein Parfum. Was sie während der Freiwache oder privat in ihren Kabinen tun, ist ihre Angelegenheit, aber ich möchte nicht, daß sie die Männer von ihrer Arbeit ablenken. Das gilt auch für dich.«
Einen kurzen Augenblick schien sie mit ihm streiten zu wollen, dann zuckte sie nur die Schultern. »Ich werde dafür sorgen. Formlose Overalls also – gegen Gürtel wirst du doch nichts haben?«
»Sie sollen nicht zu eng geschnallt werden.«
»Meine Güte! Glaubst du, ich habe mir eine Gruppe Dirnen ausgesucht? Wir haben Besseres zu tun, als euch Männer zu verführen.«
Varl sah, daß Wut in ihren Augen funkelte. Ruhig antwortete er: »Ich habe einen Grund für meine Anweisungen, und du solltest ihn kennen. Oder hast du vergessen, was hier los war, nachdem wir an Bord kamen?«
»Nein.« Ihr Blick wanderte von ihm zu seinem Bett, und ein leichtes Rosa überzog ihre Wangen. »Nein, habe ich nicht.« Sie schüttelte den Kopf, hatte sich dann wieder gefangen. »Gibt es eigentlich etwas, an das du nicht gedacht
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