Kopernikus 2
breit, einige der Passagiere begannen rastlos auf und ab zu wandern. Jeder stellte sich vor, was es bedeutete, wenn ein hranganisches Gehirn in den Kommandoräumen der Nachtfee verborgen wäre. Schließlich brach Melantha die lastende Stille. „Einfach lächerlich, diese Vorstellung“, sagte sie. „Denkt mal über ihre Vermutung nach, wenn das nicht zuviel verlangt ist. Ihr habt eine Ausbildung als Xenologisten, fast alle von euch, daneben seid ihr Sprachexperten, Psychologen, Biologen, Technologen. Aber offenbar verhaltet ihr euch nicht euren Qualifikationen gemäß. Wir haben mehr als tausend Jahre lang mit den Hranganern einen erbarmungslosen Krieg geführt, waren jedoch niemals in der Lage, mit einem von ihnen erfolgreich zu kommunizieren. Wenn Royd Eris tatsächlich ein Hranganer ist, dann müßte diese Rasse mittlerweile in kommunikativer Hinsicht unglaubliche Fortschritte erzielt haben.“
Die Xenotechnikerin errötete. „Du hast recht“, murmelte sie. „Ich bin verwirrt.“
„Liebe Freunde“, sagte Karoly, „Panik oder Hysterie helfen uns keinen Schritt weiter. Es ist etwas Furchtbares passiert. Einer unserer Kollegen ist tot, und wir wissen nicht seine Todesursache. Bis wir die genauen Umstände herausbekommen haben, müssen wir einfach weitermachen. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als zur Tagesordnung zurückzukehren. Vor allen Dingen müssen wir unbedachte Aktionen gegen einen Unschuldigen vermeiden. Vielleicht kann uns nach unserer Rückkehr eine Untersuchung in Avalon die näheren Umstände, die zu seinem Ableben geführt haben, erhellen. Der Leichnam ist doch konserviert, nicht wahr?“
„Wir haben ihn durch die Luftschleuse des Steuerraums geschoben“, versicherte der Linguist. „In diesem Raum herrscht ein Vakuum. Der Körper wird sich dort halten.“
„Dann kann er ja nach unserer Rückkehr untersucht werden“, sagte d’Branin zufrieden.
„Mit dieser Rückkehr sollten wir nicht länger warten“, ließ sich die Xenotechnikerin vernehmen. „Gib Eris den Befehl zum Rückflug!“
D’Branin starrte sie entsetzt an. „Aber die Volcryn ! Nur noch eine einzige Woche, und wir haben sie, wenn meine Berechnungen korrekt sind. Wenn wir jetzt umkehren, dauert es sechs Wochen, bis wir wieder auf Avalon sind. Meiner Meinung nach lohnt sich noch eine weitere Woche – dann wissen wir wenigstens, ob sie tatsächlich existieren.“
Die Xenotechnikerin war unnachgiebig. „Ein Mensch ist umgekommen. Vor seinem gewaltsamen Ende erzählte er von fremden Wesen und drohender Gefahr. Vielleicht sind auch wir in Gefahr. Vielleicht sind sogar diese Volcryn die Ursache, vielleicht sind sie noch mächtiger als ein hranganisches Gehirn. Willst du unser aller Leben aufs Spiel setzen? Für was eigentlich? Deine Quellen, auf die sich deine Vermutungen stützen, können fiktiv, übertrieben oder gar falsch sein, deine Deutungen und Berechnungen fehlerhaft. Vielleicht haben sie auch den Kurs geändert – es kann doch gut sein, daß sich diese Volcryn gar nicht in unserer Nähe befinden, wenn wir aus dem Hyperraum austreten.“
„Aha!“ Melantha Jhirl pfiff durch die Zähne. „Jetzt verstehe ich allerdings! Wir sollten also nicht weitermachen, weil sie nicht da sind, wo wir sie vermuten, und darüber hinaus könnte unser Plan, mit ihnen zu kommunizieren, auch noch gefährlich sein.“
D’Branin grinste, und die Linguistin lachte laut auf. „Ich finde das gar nicht komisch“, erwiderte die Xenotechnikerin, aber sie hielt ihren Mund und äußerte sich nicht weiter.
„Nein“, sagte Melantha, „die Gefahr, in der wir uns möglicherweise befinden, vergrößert sich nicht automatisch in den kommenden acht Tagen. Wir müßten sowieso aus dem Hyperraum austreten, um den Kurs neu zu programmieren. Außerdem sind wir bereits verdammt lange unterwegs, um diese Wesen auf unseren Schirm zu bekommen, und ich bin, offen gestanden, auch ganz schön neugierig auf sie.“ Sie schaute jeden einzelnen eindringlich an, aber es regte sich kein Widerspruch. „Also fliegen wir weiter.“
„Und was fangen wir mit Royd an?“ fragte d’Branin.
„Wenn es irgend geht, dann änderst du dein Verhalten dem Kapitän gegenüber nicht“, antwortete Melantha entschlossen. „Sei offen und rede mit ihm. Vermutlich ist er ebenso geschockt und verwirrt. Ich könnte mir denken, daß er total verunsichert ist, daß er denkt, wir könnten ihn verantwortlich machen und schmerzhaft zur Rechenschaft ziehen. Wir sollten ihn
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