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Kopernikus 2

Kopernikus 2

Titel: Kopernikus 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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würdest.“ Er lehnt sich im Sitz zurück. Vor dem offenen Autofenster zirpen die Grillen. Die Nachtluft ist kühl. „Du hast gesagt, du liebst mich“, sagt sie.
    Eine Messerklinge blitzt. Seine Finger schließen sich um ein Stück Leitungsrohr. Er schwingt den Arm. Zähne ze r brechen. Er schwingt den Arm wieder. Und wieder. Eine lange Zeit erbricht er bittere Säure in das zerstörte Gesicht.
    Der Bus rollt mit singenden Reifen auf der Straße. Von Colorado Springs nach Salida hatte die dicke Frau neben ihm gesessen und ihn gegen das Fenster gedrückt. Schweiß rann von ihrem Körper herab und tränkte seine Kleider. Er amüsierte sich mit der Vorstellung, daß sie nackt an Armen und Beinen an Pfählen festgebunden ist, die im Boden ste c ken, während er die dicken Fettschichten von ihr abschält, wie man eine Orange schälen würde. Lange Schnitte in jedes Glied, und dann hebt sich das dicke, glitzernde Fettgewebe ab. Sein Kopf ist voll von ihren Schreien. Er hat immer noch eine steinharte Erektion, obwohl sie schon ausgestiegen ist. Kalifornien liegt vor ihm. Er schläft und verliert sich in Träume.
    Sie rennen, und jeder Schritt läßt das Wasser hochspri t zen. Der Heckkanonier läßt ihn den fliehenden Gestalten ein paar Feuerstöße nachschicken. Die Kaliber-50-Geschosse jagen den Dreck in die Luft. Er bringt eine der Gestalten zu Fall, kurz bevor sie die Sicherheit der Bäume erreicht hat. Die anderen Männer lachen mit ihm über sein Glück beim Schießen.
    Das Baby tritt unter seiner Hand in ihrem Bauch. Die Stadt ist ruhig. Weit entfernt hört er das gedämpfte Geräusch der Artillerie. Er zieht sie an sich.
    Er spürt den harten Tritt mitten in seinem Körper und den heißen Stich des Schießpulvers, das die Haut darum ve r brennt. Er hat ein Gesicht vor Augen. Die Sonne brennt heiß.
    Er hört das Heulen der Turbinen, die Rotoren, die die Luft über ihm zerteilen.
    Wind pfeift an der Kabine vorbei und weht durch die o f fene Tür herein. Der Schmerz steigt und drängt alles andere aus seinem Bewußtsein, und dann plötzlich ist er weg.
     
    Ich mache meine Augen auf. Ich finde mich im Halbdunkel, auf eine Beschleunigungsliege geschnallt. Mein Körper ist auf allen Seiten von Flüssigkeit umpolstert. Ich mache meine Hand frei, um meinen Bauch zu fühlen. Ich spüre keinen Schmerz, keine Wunde ist zu fühlen. Ich weiß, daß das u n möglich ist. Ich habe mich voll in den Bauch geschossen, und das ist nicht mehr als vier Stunden her. Ich dachte, ich hätte mich in zwei Stücke gerissen. Irgendwie ist es so, als sei es nie geschehen. Irgendwie bin ich nicht mehr in dem Hubschrauber und werde vom Feld wegtransportiert, i r gendwie bin ich nicht mehr verwundet.
    Lichter glühen und huschen in verschiedenen Farben über ein Kontrollbord vor meinen Augen. An den Lichtern kann ich nichts Bekanntes entdecken. Keine Schrift ist sich t bar, keine Anweisungen. Ich trage einen enganliegenden Helm. Ich glaube, mein Kopf ist rasiert. Ich habe das G e fühl, als preßten sich Elektroden gegen meine Kopfhaut. Ich habe eine Art Overall an.
    „Willkommen, Soldat.“ Die Stimme scheint aus meinem Kopf zu kommen. Sie wirkt tonlos, leblos, gefühllos. Und doch irgendwie weiblich.
    „Wo bin ich? Wer bist du? Was ist passiert?“ Die Fragen kommen rasend schnell. Es wird mir klar, daß ich nicht g e sprochen habe.
    „Du hast einen langen Weg hinter dir, Soldat. Du hast lange gewartet.“
    Mein Kopf füllt sich mit Bildern: Ein Körper wird aus e i nem Hubschrauber geladen. Ich sehe das Gesicht – meines, mein Gesicht, meinen Körper. Ich bin tot. Eine Flagge wird über meinen Sarg gelegt. Sechs Träger in voller Paradeun i form. Ich erinnere mich an den Spruch: Scheiß auf alle a u ßer neun./Sechs Träger./Zwei Wachen./Einer zählt die Schritte. Meine Eltern stehen an der Seite, fast verloren in der Menge. Meine Mutter weint. Sie hält mit roten Augen eine Medaille in der Hand. Das Metall glitzert in der Mo r gensonne. Der Dreck, der oben auf den Sarg geworfen wird, ist schwarz.
    Der Friedhof ist verlassen. Nur endlose Reihen von einf a chen weißen Kreuzen, dazwischen grünes Gras, hier und da Blumen auf den Gräbern. Das Bild wird undeutlich. Die Kreuze verwittern und zerspringen vor Alter, zerfallen schließlich zu Staub. Das Gras wird von Unkraut und G e büsch überwuchert. Dann wieder Betriebsamkeit. Elegante, blitzende Maschinen öffnen die Gräber, holen die Särge he r aus, untersuchen jeden, lehnen ihn ab,

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