Kopernikus 6
eingerastet waren, bewegte sich die Seite selbst, entfaltete und öffnete sich. Innerhalb einer Stunde hatte sie sich wie ein Schirm zu einem Dach von zweieinhalb Quadratkilometern ausgebreitet, ein Parabolspiegel, der auf die einzige nichtisolierte Wand des Schmelzers gerichtet war. Schon jetzt begann die Wand in stumpfem Rot zu glühen.
„Du bist langsam heute“, nörgelte er.
„Es tut mir leid, Nakamura-san“, antwortete sie, während sie noch die Kunststofftafeln nach Tränen oder Röhrenverschmutzungen überprüfte. „Aber die Zentrifuge wird jetzt gefüllt, und der Vorgang wird beendet sein, bevor wir wieder zu Hause sind.“
Solch ein leichtes Gewicht, aber er hatte schon zuviel zu tragen. Er brach auseinander. Völlig. „Zuhause?“ schrie er. „Zuhause? Dieser erbärmliche, staubige Kaninchenstall ein Zuhause? Du Narr! Zuhause, das ist ein Himmel, der so hoch ist, so blau, daß er dich in sich hineinzieht, und ein Wind, der auf deinem Rücken kichert, während er dein hapi trocknet, und die feuchte, schnuppernde Nase eines Rehkitzes und Fujiyama-san wie eine Luftspiegelung am Horizont. Du Ding ! Du folterst mich. Ich sollte dich verkaufen, dich weggeben. Ich werde dich aus dem Schiff werfen, du Schrotthaufen, ich …“
Wie wahnsinnig tobte er während des ganzen Rückflugs. Die Zermalmer stellten sich ab, als auch der letzte Glutbrocken zu Staub zerrieben worden war. Der Schmelzer beendete seine Arbeit und zog seinen glänzenden Schirm wieder ein. Die Zentrifuge wirbelte wie wahnwitzig herum. Und eineinhalb Tage lang beschäftigte sich Marchianna mit dem Verb weinen und seinen Implikationen, da die Tat selbst ihre Fähigkeiten überschritt.
Als ihre Basis ins Sichtfeld rollte und Nakamura-san mit dem Bremsmanöver begann, sagte er zu ihr: „Spring in die Abgasröhre der Reaktormasse!“
„Aber das wird mich zerstören“, protestierte sie, obwohl sie damit begann, sich hinunter zu den Raketen zu bewegen. „Die Temperatur, die Geschwindigkeit der Teilchen …“
„Genau!“ fauchte er. „Tu es!“
Sie kam am Heck an. Betäubt bewegte sie sich auf den Tod zu. Schon auf hundert Meter Entfernung bewirkte die Hitze, daß die automatischen Warnanlagen Alarm schlugen. Aufgeregte Teilchen gaben auf Milliarden von Wellenlängen, in Millionen von Farben Photonen ab. Wie lange würde sie durchhalten – eine Sekunde?
„Bitte“, bettelte sie, „Ihr könnt doch nicht …“
„Nein.“
„Das ist falsch. Ihr braucht mich.“
„Stirb, Ding !“
Tief im Inneren ihres Schaltungslabyrinths klickte ein Relais ein. Sie blieb stehen. Fünfzig Meter von ihr stieg ein glühender Gasriegel zu der Oberfläche hoch, die über ihr schwebte. Sie drehte sich um und sagte: „Nein.“
„Oh.“ Das Funkgerät blieb fünfzehn Sekunden lang still, bis er hinzufügte: „In Ordnung.“
Sie landeten ohne weitere Zwischenfälle. Wortlos schritt er sofort in sein Schlafzimmer. Marchianna folgte ihm im respektvollen Abstand von drei Metern. Als seine Tür sich schloß, stellte sie auf Computationsanalyse und seufzte. Nakamura-san war zu nahe am unwiderruflichen Wahnsinn vorbeigeschlittert. Die Einsamkeit war dabei, ihn zu vernichten. Der arme Mann. Um hier draußen zu überleben, wo nicht einmal Roboter allein zurechtkamen, brauchte er Hilfe. Eine Frau. Sofort.
Sie betätigte ihren eingebauten Chronographen. Sie hatte genug Zeit.
Mit aufgeregt blinkenden Scheinwerfern rollte sie in den höhlenartigen Lagerraum hinter der Reparaturwerkstatt, wo sich ein Fünfzigjahresvorrat an Ersatzteilen, alle fein säuberlich in Kisten verpackt, auftürmte. Nakamura-san würde eine Frau bekommen,
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